Nerdzeug für Greenhorns

"Es gibt ein tolles Buchsatzprogramm für Selfpublisher", hat meine Schreibkollegin gesagt.

"Das ist idiotensicher", steht in den diversen Foren.

"Kann ja kein Hexenwerk sein", habe ich behauptet. Schließlich habe ich im Studium auch schon mit Satzprogrammen gearbeitet und im Laufe der Zeit viel über Layout, Weißraum, Durchschuss und Einzug gelernt.

"Damit habe ich meine Bachelorarbeit gesetzt, damit kenne ich mich aus", hat mein bester Freund gesagt.

Na, dann kann doch gar nichts mehr schiefgehen! Oder?

Hallo Theorie, liebe Grüße von der Praxis!

 

Denn die ambitionierte Autorin und angehende Setzerin hat in ihrem Eifer eine Kleinigkeit, sagen wir, verdrängt: Sie hat keine Ahnung von Programmiersprache.

Vielleicht hat sie obendrein auch noch irgendwo etwas überlesen; denn wie bekomme ich dieses Programm jetzt ans laufen? Mir fehlt in der Schritt-für-Schritt-Anleitung noch ein Schritt 0.

Ist es Absicht, dass mir mein Rechner eine TEX-Datei mit Word öffnet? Das kann doch so nicht gewollt sein?

Der beste Freund empfiehlt einen Download von Programm X - hab ich, check. 

Per Videokonferenz und Bildschirmfreigabe gewähre ich ihm Einblick auf meinen Desktop. 

"Gibst du mir mal 'ne Freigabe?"

Drei Minuten später bin ich nicht mehr Herrin meiner Maus und kann nur verblüfft zusehen, wie er ein Fenster nach dem nächsten öffnet, hier klickt, dort kopiert und noch zwischen drei Foren und Wikis hin- und herscrollt.

"Ach, Mist, ich kann bei dir nichts reinkopieren."

"Okay", sage ich, "diktier, was ich schreiben soll."

"Backslash, usepackage, geschweifte Klammer auf ..."

Ich nehme auf meinem Schreibtischstuhl die Form eines Fragezeichens an.

 

Programmieren für Buchstabenjonglierer

 

"Wie zum Henker mache ich einen Backslash?"

Ich bin schon stolz, dass ich nicht fragen muss, was das ist. (Nämlich der umgedrehte Schrägstrich.) 

Zu Schulzeiten habe ich schon nicht verstanden, warum Menschen mit Buchstaben, statt mit Zahlen rechnen. Jetzt soll ich Zeichen in ein Feld tippen, woraus das Programm dann ein Layout schraubt. 

Leider funktioniert das mit dem Öffnen und Umsetzen einer neuen Datei nicht so schnell, wie ich es gern hätte und nicht so einfach, wie mein bester Freund meint, dass es gehen müsste.

Ich probiere selbst ein bisschen - aber nee, geht ja nicht, weil ich ja eine Freigabe erteilt habe und mein Programmierkünstler-Freund gleichzeitig auf meinem Bildschirm rumfuhrwerkt. 

"Ich denke zu kompliziert", sagt er schließlich. "Ich will all die Codes, die ich gewohnt bin, da einfügen, wo sie gar nicht gebraucht werden."

"Ah ... hä?" 

Als nach drei Stunden in dem neuen Ordner "Lernbuch" ein kleines PDF liegt, in dem eine Kurzgeschichte fast schon so aussieht wie in einem richtigen Buch, schwirrt mir dezent der Kopf und ich frage mich, ob ich mir nicht wieder einmal zu viel vorgenommen habe.

Nein! Ich schaff das! 

 

Das Learning des ersten Tages ist, wie ich einen Backslash mache. Vielleicht ein kleiner Fortschritt, aber ein wichtiger. Denn Backslashs werde ich in diesem Programm ein paarmal öfter brauchen.

\\ (<- schick, nicht wahr?) \\ 

 

 

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