Einmal brach ein junger Mann auf, um zum Ende des Jahres das Friedenslicht aus Bethlehem für seine Heimatgemeinde zu holen. Er stellte eine große, dicke Kerze in eine Laterne und machte sich auf den Weg.
In Bethlehem traf er auf viele andere Menschen aus der ganzen Welt, die gekommen waren, um das Friedenslicht in ihre Heimatländer zu bringen. Bald brannten in allen Laternen rote und weiße Kerzen und die Friedenslichtbringer machten sich auf den Weg zurück. Auch der junge Mann brach wieder auf.
Doch auf dem Weg traf er auf ein Kind, das sich in der Dunkelheit verirrt und keine Lampe bei sich hatte.
„Bitte hilf mir, den Weg nach Hause zu finden“, bat es.
„Was soll’s, die Kerze ist noch so groß, den Umweg werde ich schon machen können“, sagte sich der junge Mann und leuchtete dem Kind den Weg, bis es zurück zu seinen Eltern gefunden hatte.
Die Eltern waren überglücklich, dass sie ihr Kind wieder in die Arme schließen konnten und hätten den jungen Mann gern eingeladen, bei ihnen zu bleiben. Doch der junge Mann lehnte dankend ab und machte sich gleich wieder auf den Weg, um das Friedenslicht in seine Heimat zu bringen. Das Licht leuchtete ihm den Weg und er war guten Mutes.
Als er eine Weile gegangen war, kam er an einem Haus vorbei, vor dem ein Mann stand und nach etwas zu suchen schien. Er kam auf den jungen Mann zu.
„Sie haben ein Licht! Bitte helfen Sie mir und meiner Frau. Sie liegt in den Wehen und soll bald unser erstes Kind zur Welt bringen. Aber wir haben nur noch eine winzige Kerze.“
Der junge Mann zögerte einen Augenblick. Sollte er seine Heimreise unterbrechen? Er sah auf seine Kerze.
„Was soll’s, die Kerze ist noch immer groß, bis zur Geburt des Kindes kann ich wohl bleiben“, sagte er sich dann und folgte dem Mann in das Zimmer, wo die Frau lag. Die Frau hatte die ganze Nacht über Wehen und zwischenzeitlich glaubten die beiden Männer schon, dass das Kind gar nicht zur Welt kommen würde. Die Kerze in der Laterne verbreitete einen warmen Schein und gab ihnen allen Hoffnung, dass alles gut gehen würde. Und als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte, tat auch das Kind seinen ersten Schrei.
„Vielen Dank, dass Sie mit Ihrem Licht bei uns geblieben sind“, sagte der Vater und hielt sein Neugeborenes glücklich in den Armen.
Die Kerze des jungen Mannes war nun um ein beträchtliches Stück kürzer geworden und so machte er sich schnellen Schrittes auf den Weg nach Hause.
Aber es dauerte nicht lange, da begegnete er einer Frau, die weinen vor ihrer Hütte saß.
„Was haben Sie?“, erkundigte sich der junge Mann.
„Meine Großmutter liegt im Sterben und ich habe keine Kerze mehr, die ihr in ihren letzten Stunden leuchtet und den Engeln den Weg zu ihr weist“, antwortete die Frau.
Da kehrte der junge Mann bei ihr ein und stellte die Laterne mit dem Friedenslicht neben das Bett der alten Frau. Er stand den ganzen Abend und die ganze Nacht still dabei, während die Frau der Sterbenden die Hand hielt. Und als die alte Frau schließlich ihren letzten Atemzug getan hatte, blieb er noch eine Weile bei der Frau und hielt mit ihr die Totenwache. Die ganze Zeit über leuchtete das Friedenslicht und spendete Licht und Trost.
Als der junge Mann schließlich weiterzog in seine Heimatstadt, war von der Kerze nur noch ein kleiner Rest übrig.
„Das wird kaum reichen, bis ich zuhause bin“, sagte der junge Mann traurig, ging aber weiter und trug die Laterne vor sich her.
Kurz bevor er seine Heimat erreichte, verlosch die Kerze mit dem Friedenslicht. Doch mit dem Verglühen des letzten Funkens leuchtete plötzlich ein Stern am Himmel auf, der ihm den Weg nach Hause wies.
„Kann ich denn ohne das Friedenslicht überhaupt nach Hause kommen? Es haben sich doch alle schon so darauf gefreut!“, überlegte der junge Mann, während er seiner Stadt zustrebte.
Da kamen ihm plötzlich seine Familie, Freunde und die Bewohner seines Dorfes entgegen, sie alle hielten Kerzen und Laternen in den Händen. Denn die Kunde von dem, was er unterwegs erlebt hatte, war dem jungen Mann in seine Heimat vorausgeeilt, und hatte die Hoffnung des Friedenslichts in der Gemeinde verbreitet.