Kapitel 20 - Offline

Judith

Meine Schwester schwebt elfengleich durch die Küche und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erraten, dass der Filmabend mit Simon wunderbar verlaufen ist, auch wenn sie nichts erzählt hat. Aber so sehr ich ihr das Glück auch gönne – heute Morgen geht es mir auf den Keks. Jetzt fängt sie auch noch an, die Liebesschnulze im Radio mitzuträllern. Unter dem Vorwand, noch meine Schultasche packen zu müssen, lasse ich meine Familie am Frühstückstisch zurück und verziehe mich mit dem Rest meines Käsebrots in mein Zimmer.

Ich hätte das Jugendzentrum Sonntag nicht so plötzlich verlassen sollen. Und vor allem hätte ich Freddy gestern nicht diese verlogene Nachricht schreiben dürfen.

Hey, sorry, dass ich gestern so schnell weg bin. Hatte voll vergessen, dass ich mein Bio-Protokoll noch nicht geschrieben hatte.

 

Die Scham darüber ist so groß, dass ich nicht einmal aufs Handy schauen muss, um mich an den genauen Wortlaut meiner Nachricht zu erinnern – so sehr hat sie sich eingebrannt. Es war zwar nur halb gelogen, das Protokoll hatte ich Sonntag noch nicht geschrieben, aber ich hätte damit auch noch bis heute Zeit gehabt. Fakt ist, dass ich Freddy nicht die Wahrheit gesagt habe, warum ich nicht länger im Fleet21 bleiben konnte. Und er hat es mir auch noch abgekauft – zumindest liest sich seine Antwort von gestern so.

 

Schon okay. War schön, dass du da warst.

 

Und dann, die zweite Nachricht.

 

Hast du am Wochenende schon etwas vor? Muss Samstag nicht so lang arbeiten.

 

Ich balanciere das Smartphone auf meinem Knie und lese Freddys Nachricht wieder und wieder. Wenn es nur ums Wollen ging, hätte ich Freddy gestern sofort zugesagt. Aber mit dem Geheimnis, das ich mit seiner Mutter teile, hat sich eine Wand zwischen uns geschoben, die mit jeder Minute dicker zu werden scheint, in der ich dieses Geheimnis mit mir herumtrage.

Ich würge den Rest des Käsebrots runter. Es schmeckt wie Pappe. Wie alles, das ich seit Sonntagabend zu mir genommen habe. Ohne eine Antwort an Freddy verfasst zu haben, werfe ich das Handy in meine Schultasche und gehe nach unten.

Papa fängt mich im Flur ab.

 

„Judith, hast du heute Nachmittag für eine Stunde Zeit? Frau Nowak wollte mit mir in der Sakristei etwas Ordnung schaffen. Ich dachte, wenn jemand von den Messdienern mit dabei ist, wäre das ganz gut.“

 

Ich ziehe den Reißverschluss meines Mantels zu und nicke. „Von mir aus.“

 

Besonders enthusiastisch ist mein Tonfall nicht geraten und sofort rudert mein Vater zurück. „Wenn es dir zu stressig ist, frage ich Markus.“

 

„Nein, ist schon okay. Ich hab Zeit. Ist fünf okay?“

 

Papa nickt und reicht mir lächelnd den obligatorischen Pausenapfel. Auch wenn ich jetzt schon weiß, dass ich ihn heute nicht runterbekommen werde, stecke ich den Apfel in meine Tasche.

 

Die vertraute Geste ist immerhin ein schwacher Trost an diesem Morgen.

 

Am Nachmittag ist mir immer noch keine passende Antwort für Freddy eingefallen, dabei würde ich ihn lieber heute als morgen wiedersehen. Aber nicht, solang ich weiß, was er nicht einmal ahnt. Ich wünschte, ich hätte seine Mutter überredet, mit ihm und Finn zu sprechen, auch wenn ich meine Kompetenzen damit überschritten hätte. Wir sind im Seelsorgeteam nicht dazu da, die Menschen zu irgendetwas zu bewegen. Wir sollen zuhören, Trost spenden. Das habe ich gemacht. Ob ich gezögert hätte, wenn ich gewusst hätte, wer die Patientin ist? Keine Ahnung. Ist jetzt sowieso zu spät. Sollte ich darauf hoffen, sie bei meinem nächsten Dienst wieder zufällig zu treffen wie die letzten beiden Male? Und dann? Ich weiß ja nicht einmal, wie sie heißt. Zuhören funktioniert auch, ohne den Namen des anderen zu wissen.

Der Staub am Schrankboden in der Sakristei wirbelt auf, als ich einen Stapel laminierter Zettel heraushole, und kitzelt mir in der Nase.

 

„Gesundheit“, rufen Papa und Frau Nowak gleichzeitig.

 

Ich lese die Zettel, während ich mir die Nase putze. Preisschilder für Osterkerzen und Postkarten, noch in D-Mark ausgezeichnet.

 

„Du liebe Zeit, das war höchste Zeit, dass wir hier aufräumen. Die sind ja noch von Anno Zwieback“, ruft Frau Nowak und wirft die Preisschilder mit Schwung in eine Kiste, in der sich schon diverser Krams angesammelt hat. „Ich bringe das gleich raus, nicht dass die doch wieder in einem Schrank landen.“

 

Sie verlässt mit der Kiste unter dem Arm die Sakristei und ich schnappe mir einen Lappen und wische den Schrankboden gründlich aus.

 

„Da ist jetzt richtig viel Platz. Wollt ihr Material für die Messdienerstunden dort unterbringen?“, fragt Papa, der das Regal mit den liturgischen Büchern aufgeräumt hat.

 

„Hm, vielleicht.“

 

„Ist was? Du bist seit zwei Tagen schon so still.“

 

Einen Moment lang überlege ich, noch einmal mit dem Lappen in die Tiefen des Schranks zu kriechen. Aber mein Vater würde sofort wissen, dass ich ihm etwas vormache. Ich werfe den Lappen in das lauwarme Putzwasser und lehne mich an die Schrankwand.

 

„Wenn dir jemand ein Geheimnis anvertraut, darfst du es dann unter keinen Umständen weitererzählen?“

 

Papa zieht die Augenbrauen hoch und stellt ein dickes Messbuch aufs Regal. „Eigentlich nicht, wenn du das Vertrauen nicht verletzen willst.“

 

„Aber wenn es mehrere Menschen betrifft, die dir vertrauen? Also, wenn beispielsweise Frau Glöckner dir beim Seniorenkaffee erzählt, dass sie sehr krank ist.“

 

Papa sieht mich entsetzt an und mir geht zu spät auf, dass es wohl nicht die beste Idee war, die Vorsitzende der Frauengemeinschaft der Gemeinde für meine Geschichte zu benutzen. Aber jetzt kann ich nicht mehr zurück.

 

„Nur als Beispiel“, betone ich daher noch einmal. „Und sie sagt dir, dass ihr Mann das nicht wissen soll, weil er sich immer so schnell Sorgen macht. Wenn du jetzt ein paar Tage später Herrn Glöckner triffst …“

 

„Bin ich trotzdem an meine Schweigepflicht gebunden. Seelsorgegeheimnis.“

 

„Ja, aber du bist ja auch ihm irgendwie verpflichtet. Wie willst du ihm denn beistehen, wenn er dir seine Sorgen anvertraut, ohne ihn anzulügen?“

 

Papa kreuzt die Arme vor der Brust und macht ein nachdenkliches Gesicht, was mich irgendwie beruhigt. Es löst zwar kein Problem, tut aber gut zu wissen, dass auch er als erfahrener Seelsorger nicht gleich eine Antwort parat hat.

 

„Ich muss ihn ja nicht anlügen“, sagt er schließlich. „Vielleicht hilft es, wenn ich ihn in dem bestärke, was er weiß. Er kennt seine Frau und wird es einschätzen können, ob etwas anders ist als sonst. Ich kann ihn ermutigen, auf sie zuzugehen, sie daran zu erinnern, dass er immer für sie da ist. Womöglich macht das dann unserer Frau Glöckner Mut, sich doch noch zu öffnen.“

 

In diesem Moment kommt Frau Nowak mit der leeren Kiste zurück in die Sakristei. „Frau Glöckner? Habe ich etwas verpasst?“

 

„Nein, nein. Alles gut“, sagt Papa schnell und zwinkert mir zu.

 

Ich lächle ihn dankbar an. Ich muss Freddy nicht anlügen, nur einen Weg finden, ihn zu ermutigen. Den ganzen Abend denke ich darüber nach, wie ich es anstellen kann, und habe kurz vorm Einschlafen endlich eine Idee. Erleichtert greife ich noch einmal nach meinem Handy und schreibe Freddy endlich meine Antwort.

 

Samstag klingt gut. Wenn du magst, hole ich dich von der Arbeit ab. 😊

 

Lass mich in Ruhe.

 

Zum tausendsten Mal lese ich die Nachricht und kapiere sie trotzdem nicht. Ich stehe am Rand des Schulhofs, die erste Pause ist gleich zu Ende. Ist das Freddys Antwort auf meine Nachricht von gestern? Obwohl ich die letzten Beiträge in unserem Chat fast auswendig kenne, scrolle ich noch einmal hoch und lese Freddys Nachricht von Montag.

 

Hast du am Wochenende schon etwas vor?

 

War das keine Frage nach einer Verabredung? Seine letzte Nachricht, die mich während Geschichte erreicht hat, spricht eine ganz andere Sprache. Die vier Wörter schreien mich geradezu an. Der Punkt klingt nach Endgültigkeit.

Aber wieso? Warum diese Wende um hundertachtzig Grad? Mein Herz rast und meine Kehle ist so eng, dass ich nicht weiß, wie ich einen Ton herausbekommen soll. Trotzdem rufe ich Freddy an. Sofort teilt mir eine elektronische Stimme mit, dass der Teilnehmer momentan nicht verfügbar sei. Die Schulklingel läutet zur nächsten Stunde, doch das könnte mir in diesem Moment nicht egaler sein. Während sich der Schulhof langsam leert, tippe ich eine Nachricht.

 

Wie meinst du das? Was ist los?

 

Nach Schulschluss sind meine Fragen nach wie vor unbeantwortet. Dass ich unterm Tisch alle paar Minuten nachgeguckt habe, hat natürlich keine Nachricht von Freddy in unseren Chat gespült. Seltsam ist allerdings, dass er heute Morgen, kurz nachdem er mir das Lass mich in Ruhe geschickt hat, das letzte mal online war. Ein paar Sekunden versuche ich mir einzureden, dass er auf der Arbeit viel zu tun hat, aber mein Unterbewusstsein lässt sich nicht täuschen. Er müsste längst Mittagspause gehabt haben. Eine diffuse Angst wächst in meinem Bauch, die sich während meines Heimwegs in Übelkeit verwandelt und mich zu Hause direkt aufs Klo treibt. Keuchend lehne ich mich gegen die kalten Fliesen und lasse die Panik mit meinen Tränen aus mir herausfließen. Er weiß es. Er hat es herausgefunden. Oder sie hat es ihm gesagt. Freddy weiß Bescheid. Und jetzt blockt er ab. So muss es sein. Meine Gedanken machen mich schwindelig und ich bleibe lieber auf dem kühlen Badezimmerboden sitzen, wo meine Mutter mich, keine Ahnung wie viel später, findet.

 

„Judith, was machst du denn hier? Geht’s dir nicht gut?“

 

Ich muss nicht einmal lügen, schüttle vorsichtig den Kopf. Ich fühle mich wie ausgekotzt, hundemüde und gleichzeitig viel zu erschöpft, um zu schlafen, geschweige denn aufzustehen. Mama hilft mir auf, bringt mich ins Bett und kommt kurz darauf mit einer Wärmflasche und einer Tasse Kamillentee zurück.

„Ruh dich aus. Ich bin unten, wenn du etwas brauchst.“

Ich könnte nicht dankbarer sein, dass sie keine weiteren Fragen stellt, und mein Körper ist froh, im warmen Bett zu liegen und nichts tun zu müssen.

 

Mein Geist kommt indes nicht zur Ruhe.

 

Wie geht es Freddy? Blöde Frage, scheiße vermutlich. Aber warum macht er mir gegenüber dicht? Hätte ich ihm besser zeigen müssen, dass ich für ihn da bin? Ja. Stattdessen habe ich ihn nach dem Livestream einfach im Proberaum stehen lassen. Ich habe keine andere Nachricht als Lass mich in Ruhe verdient. Verdammt, dabei würde ich ihn gern in den Arm nehmen. Es muss furchtbar sein, zu erfahren, dass die eigene Mutter schwer krank ist.

Ich öffne unseren Chat. Seit heute Morgen ist Freddy nicht mehr online gewesen, vermutlich hat er sein Handy ausgeschaltet. Und obwohl es unter dieser Voraussetzung unlogisch ist, schreibe ich ihm dennoch. Vielleicht guckt er ja später doch in seine Nachrichten.

 

Wenn du reden möchtest, bin ich da.

 

Auch diese Nachricht bleibt unbeantwortet und Freddy war seit über vierundzwanzig Stunden nicht online. Durch meine Erfahrung im Seelsorgeteam weiß ich, dass Trauer unterschiedliche Phasen und verschiedene Gesichter hat, dass sie sich individuell unterscheiden. Das zu wissen, ist das eine. Es bei einem Menschen mitzubekommen und nichts tun zu können, ist etwas ganz anderes. Und es macht mich wahnsinnig.

 

Nach der Schule halte ich es nicht mehr aus und fahre in die Stadt zum ProTone.

 

Ich muss Freddy wenigstens kurz sehen, wissen, dass er halbwegs okay ist und die Hilfe bekommt, die er braucht. Wenn er sie nicht von mir annimmt, dann vielleicht von jemand anderem. Der bärtige Mann mit Hoodie, den ich von meinem ersten Besuch schon kenne, steht mit einer Kundin bei den Keyboards, nickt mir aber kurz zu. Ich warte. Wenn Freddy hier ist, müsste er gleich aus irgendeiner Ecke kommen. Tut er aber nicht. Hat er noch Pause oder hat er sich frei genommen? Ich blättere zwischen ein paar Songbüchern hin und her. Vielleicht sollte ich besser wieder gehen.

 

„Moin, kann ich dir helfen?“ Der Mann steht neben mir und sieht mich freundlich an.

 

„Ich wollte eigentlich mit Freddy sprechen und hatte gehofft, dass er hier ist“, gebe ich zu.

 

Der Mann lacht auf und schlägt mit dem Handballen auf die Kante der Notenkiste. „Da bist du nicht allein.“

 

„Wie meinen Sie das?“

 

„Freddy ist die letzten zwei Tage nicht aufgetaucht, ohne Abmeldung. Erreichen kann ich ihn auch nicht. Ich dachte, letzte Woche wäre ein Ausrutscher gewesen, aber das scheint wohl die neue Regel zu werden.“

 

„Mist.“ Das ist gar nicht gut. Ich habe zwar keine Ahnung, was der Mann, offenbar Freddys Chef, mit letzter Woche meint, aber dass er genervt ist, ist ihm deutlich anzusehen. „Das tut mir leid.“

 

Der Mann winkt ab. „Du kannst vermutlich nichts dafür.“

 

Nun ist es an mir aufzulachen. Vielleicht ist es nicht meine Schuld, aber wenn ich früher mit Freddy geredet hätte … seufzend schüttle ich den Kopf.

„Trotzdem danke. Ich such dann mal weiter.“

 

„Viel Erfolg.“ Es klingt nicht sehr überzeugt. Verdammt, wenn Freddy wieder auftauchen sollte, hat er hier ein dickes Problem.

Ich schwinge mich wieder auf mein Rad, aber schon nach wenigen Metern muss ich mir eingestehen, dass ich planlos bin. Ich weiß nicht einmal, wo Freddy wohnt. Verdammt, warum habe ich seinen Chef eben nicht nach der Adresse gefragt? Jetzt ist es zu spät, und wahrscheinlich dürfte er mir aus Datenschutzgründen sowieso nichts sagen.

 

Bleiben nur noch die Bandmitglieder.

 

Mein Bauchgefühl sagt mir zwar, dass Freddy komplett abgetaucht ist, aber vielleicht reagiert er wenigstens auf ihre Nachrichten. Ich wende das Rad und fahre Richtung Fleet21, wo ich prompt meinem Bruder über den Weg laufe, der am Eingang ein Regal mit Flyern aufräumt.

 

„Judith, was machst du denn hier?“

 

„Ich suche Freddy, hast du ihn zufällig gesehen?“

 

Samuel schüttelt unbekümmert den Kopf. „Ne, aber das muss nichts heißen. Schau doch mal unten im Proberaum.“

 

Ich weiß, wie idiotisch es ist, trotzdem hoffe ich bei jeder Stufe, die mich in den Keller führt, dass Freddy gleich mit den anderen im Proberaum steht und Musik macht. Aber als ich die Tür öffne, treffe ich nur auf Johnny und Kristina.

 

„Hi, Judith. Kommst du zur Probe?”, fragt Kristina mich überrascht, aber nicht unfreundlich, und nimmt die Hände von den Tasten. Ich schüttle den Kopf, eine musikalische Bereicherung wäre ich für Escape sicherlich nicht.

 

„Ich mache mir Sorgen um Freddy. Er hat mir gestern früh eine seltsame Nachricht geschrieben und seitdem ist er offline. Auf der Arbeit war er auch nicht.“

 

Johnny nestelt mit einer Hand an seinem Käppi und zieht mit der anderen sein Handy hervor, schüttelt allerdings schon nach wenigen Sekunden mit dem Kopf. „Nicht erreichbar.“

 

„Vielleicht ist er gerade in der Bahn und hört das Handy einfach nicht?“ Kristinas Stimme klingt zu unsicher, um ihre Frage als ernsthaft hoffnungsvoll durchgehen zu lassen.

 

„Er achtet immer auf sein Handy, Kris, das weißt du doch“, widerspricht Johnny sogleich.

 

Dass er dabei besorgt die Stirn in Falten legt und auch Kristina hilflos mit den Schultern zuckt, bringt meinen Puls zum Rasen. Wo kann Freddy nur sein? Ist er verzweifelt genug, um … Noch ehe ich den Gedanken zu Ende formulieren kann, überkommt mich kalte Panik. Ich schließe die Augen und zwinge mich dazu, mich auf meine Atmung zu konzentrieren, da öffnet sich die Tür vom Proberaum erneut und Ben kommt, dicht gefolgt von Joshie herein.

 

„Was ist los?“, fragt Ben und stellt seinen Gitarrenkoffer ab, während er uns kritisch mustert.

 

Ich atme tief durch, bohre meine Fäuste in die tiefsten Winkel meiner Manteltaschen und erzähle Kris, Joshie, Johnny und Ben, was ich weiß. Zunächst überlege ich noch, wie viel ich preisgeben soll. Aber schließlich erzähle ich alles. Der Moment, alles in die Waagschale zu werfen ist längst vorbei. Wer weiß, was mit Freddy los ist? Die Angst, er könnte wirklich etwas Unüberlegtes tun, will mich nicht loslassen.

 

„Scheiße“, sagt Johnny, als ich meinen Bericht zu Ende geführt habe.

 

Joshie nickt. „Das ist echt hart.“

 

Kristina und Ben schweigen, aber ich sehe ihren Gesichtern an, dass sie ebenso betroffen sind. Johnny dreht sich um, schnappt sich seine Jacke vom Stuhl und streift sie sich über.

 

„Ich fahr zu ihm nach Hause. Vielleicht ist er doch dort.“

 

„Und ich suche am Bahnhof“, fügt Ben hinzu.

 

„Dann nehmen Joshie und ich uns die Landungsbrücken vor.“

 

Warme Dankbarkeit steigt in mir auf, als auch Kris entschlossen vom Klavierhocker aufsteht und in ihren Mantel schlüpft. Wir tauschen unsere Nummern und versprechen, sofort Bescheid zu geben, sollten jemand von uns Freddy finden. Dann machen wir uns auf den Weg, jeder in eine andere Richtung. Es ist bereits dunkel und von Norden weht ein kalter Wind. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine Suche. Ich schlage den Weg zum Kaiser-Friedrich-Ufer ein und schicke ein Stoßgebet in den dunklen, wolkenverhangenen Himmel. Gott, hilf uns, ihn zu finden.

 

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