Kapitel 53 - Ausbruch möglich?

Ein Blick in Freddys Gesicht genügt, um zu wissen, dass alles noch genauso beschissen ist wie gestern. Vielleicht sogar noch schlimmer. Mit hängenden Schultern, dunkel geränderten Augen und schmalen Lippen betritt er grußlos den Proberaum. Verdammt, so scheiße hat er nicht einmal ausgesehen, als es seiner Mutter vor zwei Jahren so schlecht ging und er seinen Ausbildungsplatz verloren hat. Es tut weh, ihn so zu sehen. 

Seit vier Tagen wache ich morgens auf und springe voller Tatendrang aus dem Bett, nur um nach einem Blick in unseren Gruppenchat brutal auf den Boden der Tatsachen gerissen zu werden. Johnny ist weg.

 

Außer der lumpigen Botschaft auf dem Hotelpapier hat er nichts von sich hören lassen.

 

Manchmal überkommt mich heiße Wut, dass er uns hängen lässt. Meistens nagt jedoch die Sorge in mir. Schweigen ist kein gutes Zeichen. Mama hat auch viel zu lang geschwiegen. Bis es ganz still war.

 

Hastig zähle ich die schwarzen Tasten auf dem E-Piano. Eins, zwei, drei, eins, zwei, eins, zwei drei. So regelmäßig wie eh und je. Sie sind da und weisen die aufsteigende Panik in Grenzen aus Halbtönen. Aber gegen Freddys traurige Miene können sie nichts ausrichten.

 

„Hat Johnnys Onkel etwas von ihm gehört?“ Piets Stimme klingt gepresst. Vermutlich muss auch er sich beherrschen, um nicht völlig durchzudrehen.

 

Freddy lässt sich auf den Sitzsack fallen, stützt die Stirn in die Hände und schüttelt den Kopf. „Nichts. Alex ist genauso ratlos wie wir.“

 

„Fuck“, entfährt es Joshie.

 

„Was ist in Regensburg bloß passiert, dass er einfach alles stehen und liegen lässt?“, fragt Piet und massiert mal wieder seine Nasenwurzel, während er auf und ab läuft. Vier Schritte in die eine Richtung, vier Schritte zurück. Wie ein Tiger im Käfig. Es macht mich irre. Nicht nur dieses Hin- und Herlaufen. Auch die Frage. Seit vier Tagen wälzen wir sie immer wieder. Wir sind den Tag in Regensburg minutiös durchgegangen, aber niemand von uns kann sich an etwas erinnern, was Johnny so aus der Bahn geworfen haben könnte. Nur, dass er mitten im Gig plötzlich nicht mehr gespielt hat. Aber deswegen würde er doch nicht die Band verlassen?

 

„Ich hätte ihn nach dem Konzert nicht so anblaffen dürfen“, sagt Joshie, auch schon zum dritten Mal.

 

„Ich glaube nicht, dass er deswegen abgehauen ist“, erwidert Piet. „Er wird während der Ausbildung ganz andere Sachen zu hören bekommen haben.“

 

„Nicht nur da“, murmelt Ben. „Vielleicht haben ihm die Kommentare bei Insta und so doch tiefer getroffen als er zugeben wollte.“

 

Überrascht sehe ich zu ihm rüber. So viel Einfühlungsvermögen bin ich von Ben gar nicht gewohnt. Andererseits habe ich auch keinen einzigen dieser Kommentare gelesen. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Vielleicht hätte ich mehr für Johnny da sein können.

„Was stand denn da?“

 

Ben schüttelt seufzend den Kopf, zieht sein Handy hervor und reicht es mir nach einem Moment. In dem geöffneten Dokument sind Bilder und Kommentare mit Usernamen und Daten aufgeführt. Es sind ausschließlich Bilder von Johnny, auf der Bühne, im Studio oder Backstage. Gute, professionelle Aufnahmen wie es auch von uns viele gibt. Schon bei den ersten beiden Kommentaren ziehen sich meine Eingeweide zusammen.

 

Wenn aus Scheiße Geld wird … Glänzt von außen, aber es bleibt Dreck.

 

Wozu eigentlich immer diese Kappe? Glaubst du, du kannst deine hässliche Visage darunter verstecken?

 

So hässlich der Typ.

 

Unter einem Bild, auf dem Johnny mit der Crew zusammensteht, lautet der Spruch:

 

Schön brav funktionieren. Manche hören echt nie auf zu kuschen.

 

Ein Foto von der Membran-Verleihung.

 

Komisch, dass du’s geschafft hast, ohne dass man dich in den Keller gesperrt hat.

 

Lustig, wie du glaubst, dass du anderen was vormachen kannst. Aber du bist und bleibst ein Nichts.

 

Angewidert gebe ich Ben sein Handy zurück. Es gäbe noch weitere Kommentare, aber ich will nichts mehr davon lesen. Wie kommt nur jemand dazu, so etwas zu schreiben? Und wie konnte Johnny das so lang damit abtun, dass das der Preis für den Erfolg sei? Jetzt war das Fass offenbar voll. Aber wo ist er nur?

 

Ich schiebe Zeigefinger und Mittelfinger in die Zwischenräume der schwarzen Tasten. Es kühlt ein bisschen.

 

„Was wir uns trotz allem auch fragen müssen, ist, wie es weitergehen soll“, sagt Piet in unser Schweigen hinein. „In zehn Tagen steht der nächste Festival-Gig an. Wer soll da Bass spielen?“

 

Aus Freddys Augen scheinen tödliche Blitze zu schießen. Ich beiße mir auf die Lippe und fokussiere den kleinen Spalt zwischen e und f. Die Vorstellung, dass nicht Johnny in Cuxhaven mit uns auf der Bühne stehen könnte, gefällt mir nicht, macht Piets Frage aber leider nicht unwichtig.

 

Scheiß Business. So hat es bei Mama auch angefangen. Irgendwie durchkommen, damit die Verträge erfüllt sind. Tun, als ob nichts wäre, damit die Kritiker nichts merken. Keine Schwäche zeigen, sonst ist man weg vom Fenster. Aber jetzt ist Johnny weg. Was, wenn ich die nächste bin?

 

Hinter dem Publikum liegt die Nordsee oder besser gesagt das Watt.

 

Vielleicht können wir am Horizont etwas vom Meer sehen, wenn wir gleich auf der Bühne stehen. Es hätte etwas Versöhnliches, dass wenigstens etwas nicht völlig verschwunden ist. Nicht so wie Johnny. Weder auf unsere Anrufe noch auf Nachrichten, sich bitte zu melden, hat er reagiert. Manchmal ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass immerhin bislang keine Leiche gefunden wurde. Dann muss ich mir in den Handrücken kneifen, um die Panik niederzukämpfen. Johnny hat sich nicht umgebracht. Ganz bestimmt nicht.

 

Aber er ist nicht hier. Stattdessen steht Svante neben uns im Backstage und rutscht mit seinen Fingern den Hals seines Basses rauf und runter. Johnny kennt ihn aus der Ausbildung zum Veranstaltungstechniker, seit unserer letzten Tour unterstützt er uns als Backliner. Und jetzt eben auch auf der Bühne. Es war eine pragmatische Entscheidung nach einer längeren Diskussion. Svante ist zuverlässig und spielt ganz gut, wenn auch nicht so gut wie Johnny. Ich habe in den letzten Tagen und Nächten einige unserer Songs neu arrangiert, damit Svante sich nicht alle ausgefeilten Bassfiguren von Johnny draufschaffen muss, unser Klang aber trotzdem nicht verloren geht.

 

„Schaut mal, was ich gefunden habe“, sagt Ben. Er hält eine Postkarte in die Höhe.

Svante schaut irritiert, aber mir entlocken die gelben und grünen Farbwirbel trotz allem ein Lächeln.

 

„Ist das die Karte für den Wettbewerb?“

 

„Yes.“ Grinsend reicht Ben Svante die Karte, der sie eingehend betrachtet. Joshie schaut ihm über die Schulter.

 

„Schon krass. Vor drei Jahren wollten wir uns als Newcomer bewerben, jetzt sind wir als Headliner gebucht.“

 

Freddy gibt ein bitteres Lachen von sich und reicht die Postkarte an mich weiter ohne einen Blick darauf geworfen zu haben. Noch nie habe ich ihn vor einem Konzert so lustlos gesehen, und wenn es mir nicht zutiefst widerstreben würde, würde ich ihm vorschlagen, irgendetwas einzuwerfen. Ich suche nach tröstenden Worten, doch ehe mir etwas einfällt, ruft Ben dazwischen.

 

„Als Newcomer gescheitert, als Headliner gebucht – das ist geil. Kommt, lasst uns ein Selfie mit der Postkarte machen.“

 

Weil es ohnehin keinen Zweck hat, Ben zu widersprechen, rücken wir etwas näher zusammen, er geht vor uns in die Hocke, hält die Postkarte hoch und streckt die andere Hand weit von sich. „Nice.“

 

Er öffnet sofort Instagram und lädt das Foto in unseren Status. Ich wende mich ab, gehe zum Kaffeevollautomaten rüber und drücke auf den Knopf für heißes Wasser. Bis zu unserem Gig bleibt noch genug Zeit für einen Tee. Die entspannende Wirkung meiner Lieblingsmischung bleibt diesmal jedoch aus.

 

Ob es wieder gemeine Kommentare geben wird?

 

Nachdem wir uns entschieden haben, vorläufig Svante als Bassisten einzustellen, haben wir einen Post geteilt, in dem wir erklärt haben, dass Johnny aus privaten Gründen eine Auszeit nimmt. Das ist so nah an der Wahrheit wie nur irgend möglich. Der Rest, dass keinesfalls Streitigkeiten innerhalb der Band dahinterstecken würden und dass wir seine Entscheidung respektieren, ist nur diplomatisches Blabla.

 

Unsere Hoffnung, die Presse würde nicht weiter nachbohren, hat sich natürlich nicht erfüllt. Immer wieder erreichen uns Anfragen, wie lang Johnny pausieren wird, wo er sich denn aufhält und was er statt Musik macht. Wir blocken alles ab, geben unsere vorformulierte Standardantwort, werden aber mit jedem Mal verzweifelter. Ein Reporter hat Freddy vor zwei Tagen so intensiv angesehen, dass ich fürchtete, er würde jeden Moment in Tränen ausbrechen und seine Sorge und Wut in das Mikro schreien, dass der Typ ihm entgegenhielt.

 

Ich ziehe den Teebeutel aus der Tasse und werfe ihn in den Eimer unter dem Tisch, auf den die Social Media Icons gedruckt sind, mit der Aufforderung, das Festival in unseren Beiträgen zu taggen.

 

Endlich hat er’s kapiert.

 

Wurde ja auch Zeit.

 

Die Auszeit kann ruhig für immer sein.

 

Sogar jetzt wird noch auf Johnny gehetzt. Ich würde die Kommentare gern vergessen, aber sie haben sich mir eingebrannt. Was für eine beschissene Welt. Es geht längst nicht mehr um die Musik, auch wenn wir uns das gern einbilden. Wir schreiben Songs, stehen auf der Bühne – nicht weil wir wollen, so wie früher, sondern weil Verträge und Medien das von uns verlangen. Indie-Band hin oder her, wir sind mit einer kleinen Plattenfirma nur unwesentlich freier. Für die Leute da draußen ist es egal. Wir sollen dem Bild entsprechen, das sie sich von uns gemacht haben. Locker, fröhlich, Alltagsflucht. Aber können wir selbst noch ausbrechen?

 

Freddy scheint sich die gleiche Frage zu stellen.

 

Als er eine Stunde später vom Bühnenrand aus das Publikum begrüßt, klingt er jedenfalls nicht so, als würde er ernsthaft gemeinsam mit den Leuten ausbrechen wollen. Eher so, als würde er sich am liebsten unter einer Decke verkriechen. Vielleicht merkt es im Publikum niemand. Tausende Arme klatschen und winken, die Leute jubeln und singen mit. Aber Freddys Gitarrensoli sind langsamer als sonst, statt die Bühne zu rocken, steht er öfter still am Bühnenrand und hält den Kopf gesenkt, während seine Finger über den Gitarrenhals gleiten.

 

Ich bemühe mich sehr, mir nichts anmerken zu lassen, aber manchmal wird mir das Lächeln einfach zu anstrengend. Dann schaue ich auf meine Finger oder sehe zu Svante rüber. Die Töne sitzen, aber auch seine Fröhlichkeit wirkt etwas aufgesetzt. Ihm kann man es wenigstens als Nervosität vor dem ersten großen Auftritt auslegen.

 

„Danke, Cuxhaven, ihr seid klasse!“, ruft Freddy und breitet die Arme aus. „Wir verabschieden uns von euch mit einem Lied, das ihr alle kennt, und mit einer Bitte: Seid gut zueinander. Okay, hier ist für euch Trust.“

 

In dem aufkommenden Jubel geht Freddys Gitarrenintro beinahe unter. Aber vermutlich ist das nicht schlimm. Seine Schultern zittern und die Töne klingen verzerrter als sonst. Als er schließlich den Kopf hebt und ans Mikro tritt, geht seine Stimme mir durch Mark und Bein.

 

I know I’m not easy

I might even be a lost cause  

You know, I’ve always been afraid

Of them, of you and me, of us

Can you still gently take my hand

And teach me how to trust    

 

Rau wie Schmirgelpapier streifen seine Worte meine Haut. In jeder Silbe schwingt Verzweiflung, die Freddy beinahe herausschreit. Ich schlucke die Aufsteigenden Tränen hinunter. Das ist der ehrlichste Moment des Gigs.

 

Ob die Leute vor der Bühne das merken, oder ob sie die neue Interpretation feiern, weiß ich nicht. Der Applaus ist jedenfalls ohrenbetäubend. Aber er betäubt keine Gefühle. Als wir uns verbeugen, zittert Freddy unter meinem Arm, der auf seinem Rücken liegt. Ein Zittern, das auch mich erfasst. In meinen Beinen kribbelt es, wie sonst nur, wenn ich meine übliche Laufrunde weit überschritten habe. Die Bühne ist zu groß, der Applaus zu laut, das Licht zu hell. Keuchend lasse ich mich zwischen Freddy und Joshie ein weiteres Mal nach vorn fallen.

 

„Gott sei Dank“, bricht es aus Freddy hervor, kaum dass wir von der Bühne treten.

 

Er sinkt in sich zusammen, lässt die Hände hängen und schüttelt immer wieder den Kopf.

Piet hockt sich neben ihn, reicht ihm eine Flasche Wasser. „Du hast das super gemacht“, sagt er und sieht in unsere erschöpften Gesichter. „Ihr alle wart gut.“

 

„Trotzdem, das war das anstrengendste Konzert ever“, sagt Ben und wischt sich mit dem T-Shirt-Ärmel den Schweiß von der Stirn.

 

„Ich kann jetzt nicht noch mal da raus“, murmelt Freddy mit kurzem Kopfnicken Richtung Festivalgelände. Nach unseren letzten Gigs sind wir immer noch rausgegangen, haben am Merch-Stand Autorgramme gegeben und mit den Fans gequatscht oder Fotos gemacht. Aber mein Körper ist schwer wie Blei, der Jubel, die Musik aus den Boxen, das Klirren, Klappern und metallische Klingen des Bühnenumbaus dröhnen in meinen Ohren.

 

„Ich auch nicht“, sage ich, Ben und Joshie nicken dazu. Svante schaut auf seine Schuhspitzen. Piet richtet sich wieder auf und klopft Freddy auf die Schulter.

 

„Ist okay. Einpacken und Abmarsch.“

 

Ich wünschte, du wärst hier.

 

Im Tourbus ist es beängstigend still. Wir haben uns jeder in eine andere Ecke verzogen und hängen unseren Gedanken nach, die zumindest in meinem Fall mindestens genauso anstrengend sind wie der Festivallärm.

 

Ich auch. Lust zu telefonieren?

 

Das Blut rauscht laut zwischen meinen Ohren. Im Leben hätte ich nicht damit gerechnet, dass Noah direkt zurückschreibt. In Singapur muss es doch mitten in der Nacht sein. Aber ich zögere keine Sekunde, sondern starte den Videochat. Viel Licht hat Noah nicht um sich herum, aber es reicht, um zu erkennen, dass er mit nacktem Oberkörper im Hotelbett liegt. Hitze schießt durch meine Venen. Was gäbe ich dafür, neben ihm zu liegen.

 

„Hey, bist du gar nicht müde?“

 

Er lächelt schief. „Immer, aber zu überdreht, um zu schlafen.“

 

„Ist etwas passiert?“ Ich hoffe nicht, aber es würde mich gerade ablenken.

 

„Nur das Übliche. Viele Termine, dazu eine ganz andere Kultur. Ist schwer, da abends runterzukommen. Aber was ist mit dir? Du siehst irgendwie fertig aus.“

 

Ich berichte von dem Gig, von meinen Gedanken zum Musikbusiness. Noahs Augenbrauen wandern aufeinander zu, seine Stirn legt sich in Falten. Er muss nichts sagen, aber er spricht die Worte dennoch aus. „Ich weiß genau, was du meinst. Wir sind nur Marionetten.“

 

Mir entfährt ein Schluchzen, weil er so recht hat und es so verdammt wehtut. „Und ist das nicht bescheuert? Musik war immer meine Zuflucht, und jetzt ist sie wie ein Gefängnis.“

 

„Vielleicht brauchst du einfach mal eine Pause.“

 

„Was? Ich kann doch nicht …“

 

Noah schüttelt den Kopf. „Du musst nicht gleich aus der Band aussteigen. Vielleicht reicht mal ein freies Wochenende? Zum Beispiel in London?“   

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Kapitel 52 - Kleine Gesten

Noah

Wie kann es so viele schöne Menschen auf einem Haufen geben? Obwohl wir nun schon anderthalb Tage in Korea sind, fällt mir bei jeder neuen Begegnung die scheinbare Makellosigkeit auf. Fast bin ich versucht, die Hand auszustrecken und die Leute zu berühren, um zu testen, ob sie echt sind. Doch ich reiße mich zusammen und erwidere nur höflich die freundlichen Gesten, die man uns entgegenbringt.

„Haben Sie noch einen Wunsch, Mr Hammond?“, fragt mich die Hotelmitarbeiterin, die so perfekt gestylet ist, als würde nicht ich, sondern sie gleich vor die Kameras der Pressefotografen treten müssen.

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Kapitel 51 - Da kommt noch was

Kristina

Ich sehe sehr viel weiß, am Rand einen Hauch von grün, genaue Umrisse sind nicht zu erkennen. Trotzdem zögere ich keine Sekunde, ehe ich Noah meine Antwort auf sein heutiges Rätsel schicke.

Sushi.

Vermutlich wird es eine Weile dauern, bis er antwortet, also lege ich das Handy zur Seite, kann mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. Joshie mustert mich, spitzt die Lippen und hebt eine Augenbraue.

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Kapitel 50 - Weggeduckt

Noah

Scotts verkniffene Miene sagt mir deutlich, dass er mich am liebsten vierteilen würde, als ich am nächsten Morgen in Begleitung von Jayden am Flughafen ankomme. Die Standpauke bleibt jedoch aus, er schiebt mich nur stumm durch Check-in und Sicherheitskontrolle bis zu meinem Platz im Flieger. Vermutlich gar nicht so unberechtigt, dass er nicht aus den Augen lässt, denn freiwillig bin ich ganz bestimmt nicht hier. 

Ich schenke dem Steward, der zwischen unseren Luxussitzen hin und her scharwenzelt, keine Beachtung, sondern ziehe mein Handy aus der Hosentasche. Mir wird so leicht ums Herz, dass ich fast auch ohne Flugzeug abheben könnte.

 

Danke, dass du geblieben bist. Guten Flug. Kann’s nicht erwarten, dich wiederzusehen.

 

Kristinas Nachricht folgt ein Kuss-Emoji.

 

Lächelnd tippe ich meine Antwort.

 

Danke, dass du mir alles erzählt hast. Vergiss nicht, du bist stark und wundervoll. Hab dich lieb.

 

Der Steward reicht mir ein dampfendes Handtuch und deutet lächelnd auf mein Handy. Ich nicke ergeben und stelle den Flugmodus ein. Dann schnappe ich mir die Decke aus dem Seitenfach meines Sitzes, strecke mich aus und schließe die Augen. Zum einen bin ich saumüde, vor allem aber geht mir das, was Kristina mir letzte Nacht erzählt hat, nicht aus dem Kopf.

 

Fuck, allein wenn ich daran denke, wie sie vor Verzweiflung gezittert hat, würde ich am liebsten aufspringen und sie wieder in den Arm nehmen. Wie konnte sie das alles zehn verdammte Jahre mit sich herumtragen, ohne mit jemandem darüber zu sprechen? Eine so krass lange Zeit, in der in ihr die Gewissheit gewachsen ist, schuld am Tod ihrer Mutter zu sein. Ich bilde mir nicht ein, dass ich sie heute Nacht vom Gegenteil überzeugt habe, aber ich hoffe, dass sie sich wenigstens ein bisschen besser fühlt.

 

Mann, Noah, wie naiv kann man sein? Als ob das Händchenhalten alle Wunden heilen würde. Und trotzdem, wenn das einzige, was ich tun kann, ist, Kristina in den Arm zu nehmen, dann will ich das tun. Leider kann ich das gerade nicht einmal tun, und auch in den nächsten drei Wochen nicht. Denn ich sitze in diesem verdammten Flugzeug nach Tokio.

 

Ich habe Nackenschmerzen aus der Hölle.

 

Neun Stunden schief im Flugzeug liegen, in Peking auf dem Flughafen rumgammeln und ein weiterer Flug in Halbacht-Stellung, haben mit meinen Muskeln und Knochen irgendetwas angestellt, was weit entfernt von anatomisch korrekt ist. Vermutlich habe ich eine Haltung wie Quasimodo, als ich hinter Liam das Studio des Frühstückfernsehens betrete. Das Team der Sendung ist total zuvorkommend, nicht so aufdringlich oder genervt wie die Leute in Europa. Als eine Mitarbeiterin mir eine Tasse Tee reicht, will ich ihre höfliche Verbeugung erwidern.

 

Nicht gut. Gar nicht gut. Irgendetwas in meinem Nacken rastet ein und ein heißer Schmerz jagt durch meinen Körper. Ich keuche auf, verschütte etwas von dem Tee. Bei dem Versuch, mich langsam wieder aufzurichten, schießen mir Tränen in die Augen. Meine Muskeln scheinen Stahlseile zu sein, die sich auf unnatürliche Weise verknotet haben. Ich bin gezwungen, schräg nach rechts unten zu gucken. Es ist mir beim besten Willen nicht möglich, den Kopf zu drehen. Verdammte Scheiße.

 

Der Host der Show, der freundlich lächelnd auf uns zukommt, kann für einen Augenblick seine Irritation nicht verbergen, ist aber zu höflich, um mich auf meine schiefe Haltung anzusprechen. Anders als Scott. Mit zwei schnellen Schritten ist er bei mir und packt mich am Arm. Ich zucke unwillkürlich zusammen, woraufhin mir eine neue Schmerzsalve durch den Körper schießt.

 

„Was ist los, Noah? Kannst du dich nicht einmal zusammenreißen?“

 

Wenn er wüsste, wie sehr ich mich gerade zusammenreiße, um nicht durch das ganze Fernsehstudio zu brüllen. „Sorry, ich hab mir irgendetwas eingeklemmt“, presse ich hervor und deute mit der linken Hand vage auf meinen Nacken.

 

Scott seufzt verärgert, gut möglich, dass er glaubt, ich würde simulieren. Ich wünschte, er hätte recht. Mit einer erschreckend lässigen Bewegung zieht Scott einen Tablettenblister aus seiner Jackentasche und drückt mir eine Tablette in die geöffnete Hand.

„Das sollte dich schmerzfrei machen.“  

 

Ich beschließe, nicht zu fragen, wieso Scott Schmerzmittel in der Tasche hat, sondern würge die Tablette runter, was gar nicht mal so leicht ist, wenn man den Kopf nicht in den Nacken legen kann. Keine Ahnung, was genau das für Zeug ist, aber es wirkt fast unmittelbar, auch wenn es mir danach vorkommt, als würde eine Art Filter vor meinen Augen liegen.

 

Die japanische Fernsehshow lenkt mich zusätzlich ab. Endlich mal ein paar andere Fragen als dieses ewige Wer-hat-eine-Freundin-Gelaber.

 

 „Wie viel Zeit verbringt ihr pro Tag miteinander, auch außerhalb der Bühne?“

 

„Jede Minute, die wir nicht schlafen“, antwortet Suma lachend. „Wenn wir nicht auf der Bühne stehen, trainieren wir, geben Interviews oder sind im Bus oder Flugzeug unterwegs. Also, bestimmt siebzehn, achtzehn Stunden am Tag.“

 

Der Host nickt anerkennend. „Und wer steht immer zuerst auf?“

 

Ich definitiv nicht. „Liam“, sage ich im gleichen Moment wie Andy und Suma, während Liam selbst sich ganz in asiatischer Zurückhaltung übt und abwinkt.

 

„In euren Videos, vor allem aber auch auf der Bühne, habt ihr zu jedem Song eine eigene Choreografie. Könnt ihr uns einen kleinen Teil vortanzen?“

 

Verflucht, wie soll ich das denn hinbekommen? Zwar ist der Schmerz betäubt, aber die Muskeln in meinem Nacken sträuben sich noch immer gegen eine normale Bewegung. Leider ist Suma schon begeistert aufgesprungen und ruft „Na klar.“

 

Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich ebenfalls von dem plüschigen Sofa zu erheben und mich neben den anderen aufzustellen. Das Playback zu Like a Mirror ertönt. Ausgerechnet.

 

Vergiss nicht, du bist stark, schießt mir meine Nachricht an Kristina durch den Kopf. Irgendwie werde ich das hier schon schaffen. Lächeln, höflich sein, meinen Job machen. Es geht. Wahrscheinlich nicht ganz so geschmeidig wie sonst, aber das gesamte Fernsehteam applaudiert begeistert, als wir unsere Performance beenden und wieder auf dem Sofa platznehmen.

 

Nach der Show machen wir uns auf den Weg zu einer bekannten TikTokerin.

 

Obwohl die Straßen voll sind und die Menschen nicht weniger beschäftigt sind als an anderen Orten, die ich in den letzten Monaten gesehen habe, wirkt es in Tokio alles geordneter. Es gefällt mir, hier könnte ich auch bleiben. Wenn es nicht so weit weg wäre von zuhause.

 

Marble hat mir ein Foto von sich mit einem jungen Mann geschickt. Er trägt ein mittelalterliches Kostüm und lächelt mir neben Marble breit entgegen.

 

Liebe Grüße von Stevie. Er will dich kennlern nach der Premiere. Hab dich lieb.

 

Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Marble setzt alle Hebel in Bewegung, um sicherzugehen, dass ich wirklich komme. Dabei steht das für mich längst fest. Aber ich lasse ihr die Freude an der Überzeugungsarbeit.

 

Ich schaffe es nicht mehr, ihr zu antworten, ehe wir bei Yuki ankommen, die uns freudestrahlend begrüßt. Ihre glatten schwarzen Haare umrahmen ihr Gesicht, das auffallend grell geschminkt ist. Ihre Wangen leuchten hellrot, ihre verstärkten Wimpern sind mit Glitzersteinchen versehen, die bei jedem Augenaufschlag funkeln. Ihr Outfit, bestehend aus einem äußerst knappen Faltenrock und einer weißen Bluse mit Puffärmeln vervollständigt das Bild einer Anime-Figur.

 

Ich durchforste mein Hirn nach Informationen, wieso wir uns mit ihr treffen. Hilfesuchend schaue ich zu Andy, aber der starrt nur gebannt auf Yukis Erscheinung. Toll!

Zum Glück entdecke ich das Plakat, das über der Sitzecke in Yukis Wohnzimmer hängt. Natürlich kann ich den Schriftzug nicht lesen, aber das Motiv mit den vier Comicfiguren kommt mir bekannt vor. Irgendein Anime-Film, der in Japan ziemlich durch die Decke gegangen ist und der nun bald auch in Europa erscheinen wird. Für die englische Synchronisation der vier Protagonisten sind Andy, Suma, Liam und ich vorgesehen. Shit, das habe ich komplett verdrängt.

 

Ich habe so was von keinen Plan von Animes, und leider kann ich mich auch nicht mehr erinnern, wie der Film heißt oder worum es geht, geschweige denn, welche Rolle ich da übernehmen soll. Während des folgenden Livestreams bemühe ich mich also um professionelles Auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit. Wenn ich Glück habe, legen die Zuschauer mir es positiv aus, dass ich, wie die anderen, grinsend die Maske entgegennehme, die Yuki uns irgendwann reicht. Mit den Bildern unserer Comicfiguren vorm Gesicht geben wir irgendeine Szene aus dem Film zum Besten. Yuki klatscht begeistert und ich fühle mich auf dem Höhepunkt meiner Karriere. Nicht. Immerhin fällt hinter der Maske nicht auf, dass ich eine gequälte Grimasse schneide, weil die Wirkung des Schmerzmittels nachlässt.

 

Bis zu diesem Moment war mir nie so bewusst, dass mein Hirn aus zwei Hälften besteht.

 

Jetzt sitzt der Schmerz genau dazwischen und scheint sie auseinanderzuschieben und immer fester gegen meinen Schädel zu drücken. Es dröhnt, und obwohl ich die Augen geschlossen habe, hört es nicht auf zu flimmern. Fuck, was ist das?

 

Ich versuche mich aufzurichten, komme aber nicht weit. Meine Schultern und mein Nacken sind steif wie ein Brett. Stöhnend sinke ich in mich zusammen, taste nach meinem Handy. Als ich es endlich finde und mich zwinge, die Augen zu öffnen, wünschte ich, ich könnte ohnmächtig werden. In einer halben Stunde wird mein Wecker klingeln. In anderthalb Stunden ist Abfahrt zum nächsten Promo-Termin. Das schaffe ich nicht. Nicht so. Mit fahrigen Bewegungen wische ich über das Display und rufe Scott an.

 

„Scott, Notfall“, krächze ich, als er abnimmt.

 

Drei Minuten später steht er seufzend neben meinem Bett und drückt mir eine Tablette in die Hand. Nur mit größter Anstrengung schaffe ich es, sie zu schlucken, und noch mehr Überwindung kostet es mich, sie drin zu behalten. Aber wie schon gestern entfaltet die Tablette auch heute rasch ihre Wirkung. Das Dröhnen in meinem Kopf lässt nach und das Flimmern verschwindet. Nur bewegen kann ich mich immer noch nicht.

 

„Ich kann so nicht auftreten. Ich schaff’s nicht mal, mir mein T-Shirt auszuziehen.“ Weiter als auf knappe Schulterhöhe kann ich meine Arme tatsächlich nicht heben, ehe etwas blockiert.

 

Scott nickt und läuft hektisch vor meinem Bett auf und ab. „Okay. Okay, ich überleg mir etwas. Ich habe gestern noch etwas in der Hotelbroschüre gelesen … Bleib liegen.“

 

Scherzkeks. Als ob ich in meinem Zustand ernsthaft weglaufen könnte.

 

Ich habe nicht einmal bemerkt, dass Scott mein Zimmer verlassen hat, da kommt er wieder herein, diesmal nicht allein. Ein Typ in kurzen Hosen, weißem T-Shirt und schwarzem Stirnband betritt den Raum. Er ist jung, vielleicht nur ein paar Jahre älter als ich.

 

„Guten Morgen, Sir. Mein Name ist Poom.“

 

„Poom arbeitet hier als Masseur“, erklärt Scott kurz angebunden.

 

„Okay“, murmle ich.

 

„Sind Sie einverstanden, dass ich mir Ihre Schulter einmal ansehe?“, fragt Poom.

 

„Klar.“

 

Kurz darauf würde ich mein Einverständnis gern wieder zurückziehen. Der Masseur kniet neben mir und drückt derart fest auf meine verhärteten Muskeln, dass ich in mein Kissen beißen muss, um nicht laut aufzuschreien.

 

„Sie müssen schon sehr lang Beschwerden haben“, sagt Poom.

 

„Seit gestern“, keuche ich.

 

Poom hält kurz inne, ein Moment, in dem ich nach Luft schnappe. „Diese Verspannungen sind älter als einen Tag. Sie können monatelang nicht richtig geschlafen haben.“

 

Wenn es nicht zu sehr wehtun würde, würde ich jetzt laut lachen. Nicht richtig geschlafen, ist das eine. Dass darüber hinaus nicht jede Stunde Schlaf in einem bequemen Bett war, ist das andere. Ich komme nicht dazu, dem Masseur das genauer zu erläutern, denn er bohrt seine Fingerspitzen wie Schraubstöcke in meine Nackenmuskulatur und ich kann nur schmerzvoll ins Kissen stöhnen. Ich hätte auf einer Vollnarkose bestehen sollen.

 

„Probieren Sie mal, sich aufzurichten“, bittet Poom irgendwann.

 

Ich kann es kaum glauben, aber es gelingt mir, die Arme auf der Matratze aufzustützen und mich langsam hinzusetzen. Poom umfasst meinen Kopf und dreht ihn vorsichtig von links nach rechts. Ich warte darauf, dass die Muskeln blockieren und der reißende Schmerz durch meinen Körper schießt, aber nichts passiert. Langsam dreht der Masseur meinen Kopf nach vorn und zur Seite.

 

„Noch nicht perfekt, aber es geht in die richtige Richtung.“

 

„Nicht perfekt?“ Ich sehe ihn verwirrt an. „Ich bin wieder genauso beweglich wie vorgestern.“ Wie zum Beweis strecke ich die Arme über meinen Kopf.

 

Poom lächelt ein wenig verhalten. „Das freut mich, aber Sie bewegen sich immer noch nicht so wie es gesund wäre.“

 

Ich lasse die Arme sinken, sehe ihn schweigend an. Er wird es nicht direkt sagen, aber die Message zwischen den Zeilen dringt dennoch zu mir durch. Das Leben, das ich führe, ist nicht gesund. Das ist mir klar, nicht erst seit gestern.

 

„Was mache ich denn falsch?“

 

Wieder lächelt Poom. „Ihr Nacken fühlt sich an, als hätten Sie seit langer Zeit den Kopf eingezogen … ein bisschen wie eine Schildkröte.“ Er hebt die Schultern bis sie seine Ohrläppchen berühren.

 

Habe ich echt so eine schlechte Haltung?

 

Offenbar sehe ich ziemlich entsetzt aus, denn Poom lacht auf und lässt die Schultern wieder sinken. „Ich übertreibe ein bisschen, aber Sie müssen sich wirklich lange vor etwas weggeduckt haben.“

 

Ich schnappe nach Luft. Er hat recht. Da bin ich seit Jahren Profi im Dauerlächeln, wickle Fans und Journalisten problemlos um den Finger, und jetzt verrät mein Nacken, wie sehr mich das Ganze abfuckt? Ich habe es mir selbst nicht eingestanden, dass ich dieses Leben nicht will. Weil ich keine Alternative habe. Ich habe meine Ablehnung so sehr unterdrückt, dass ich nicht einmal mehr weiß, wie ich mich frei bewegen soll.

 

„Wie kann ich es richtig machen?“

 

„Sie haben sich sehr lange an eine falsche Haltung gewöhnt, das lässt sich nicht in fünf Minuten revidieren.“ Er sieht mich bedauernd an. „Ich würde Ihnen eine Physiotherapie empfehlen.“

 

„Kann ich die bei Ihnen machen?“

 

„Sehr gern, aber ich fürchte, Sie müssten dafür nach Thailand kommen. Meine Zeit hier endet morgen.“

 

Ich sinke auf der Bettkante ein Stück in mir zusammen. War ja klar, dass da irgendwo ein Haken war. Kurz überlege ich, ob ich ihm anbieten soll, uns auf Tour zu begleiten, aber Poom sieht nicht käuflich aus, und ich will auch nicht der arrogante Star sein, der glaubt, für Geld alles kriegen zu können.

 

Poom zieht eine Visitenkarte aus seiner Hosentasche und reicht sie mir. „Wenn Sie möchten, können Sie sich meine YouTube-Videos ansehen und ein paar der Übungen machen, bis sie einen Therapeuten gefunden haben. Ich habe sehr gute Kollegen in England.“

 

Ich drehe die Karte zwischen den Fingen, doch noch ehe ich den Text darauf genauer lesen kann, geht die Tür auf.

 

„Noah, du bist wieder senkrecht. Großartig! Dann kann es ja gleich wie geplant losgehen.“

 

Ich sehe nicht Scott an, sondern Poom. Er mustert mich eindringlich und tippt mit dem Zeigefinger auf seine rechte Schulter und nickt mir zu. Ertappt lasse ich die Schultern sinken.

 

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Kapitel 49 - Throwback

Kristina

Ein Teil von mir will sich in seine Arme stürzen und der Sehnsucht nachgeben, die seit Wochen in mir brennt. Der andere Teil will Noah die Tür vor der Nase zuschlagen und sich im Airbnb verschanzen. Ich bleibe auf der Türschwelle stehen, die Hand noch immer am Schlüssel, und sehe mich über die Schulter zu ihm um.

Wenn ich seine Stimme nicht erkannt hätte, würde ich auch jetzt kaum auf die Idee kommen, dass unter der schwarzen Kapuze Noah steckt. Er fügt sich perfekt in die Dunkelheit ein. 

Wieso ist er hier?

 

Wieso kann er nicht einfach aus meinen Gedanken, meinem Herz, aus meinem Leben verschwinden? „Was willst du?“

 

Er zieht die Kapuze vom Kopf, macht einen Schritt auf mich zu. Ich schließe die Hand fester um den Schlüssel. „Ich möchte mich entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich dir mit meinem Song zu nahegetreten bin. Ich hätte ihn nicht einfach so veröffentlichen dürfen.“

 

Überrascht lasse ich den Schlüssel los, drehe mich ganz zu Noah um. Schon im nächsten Moment lodert das Feuer wieder in mir auf. Die alles verzehrenden Flammen, die sich durch meinen Körper fressen und nichts von mir übriglassen werden, wenn ich nicht all meine Kraft darauf aufwende, sie in Zaum zu halten.

 

„Ich kann das nicht“, stoße ich hervor.

 

Noahs Gesicht verzieht sich zu einer schmerzhaften Grimasse und er sinkt einige Zentimeter in sich zusammen. Schließlich holt er tief Luft. „Okay“, sagt er und wendet sich langsam um.

 

Geh nicht, schreit der kleine Rest in mir, der sich verzweifelt gegen das Feuer zu wehren versucht. Aber ich bringe die Worte nicht über die Lippen. Ich bin mit Atmen beschäftigt, was schwer genug ist, da meine Kehle mit jeder Sekunde enger zu werden scheint.

 

Da bleibt Noah noch einmal stehen, dreht sich wieder zu mir um. „Sag mir, dass dir das mit uns nichts bedeutet hat, und ich verspreche, ich werde gehen und dich in Ruhe lassen.“

 

Mein Hals ist so eng, dass kaum noch Luft hindurchpasst. Es bedeutet mir alles. Es war die schönste Zeit. Ich will nicht, dass du gehst. In Sekundenschnelle rasen die Gedanken durch meinen Kopf. Keinen einzigen kann ich aussprechen. Hilflos öffne ich den Mund, aber mehr als ein Japsen kommt nicht heraus. Meine Beine geben unter mir nach.

 

Noch bevor ich auf das Pflaster stürzen kann, ist Noah bei mir und fängt mich auf. Zitternd halte ich mich an ihm fest, während er die Tür aufschließt.

 

„Wo musst du hin?“

 

Schwach deute ich auf die Tür zur rechten. Irgendwie komme ich die paar Stufen hinauf und lasse mich gegen den Türrahmen zu meinem Apartment fallen, während Noah den Schlüssel ins Schloss steckt. Immer noch zitternd und nach Luft ringend, taumle ich durch den kleinen Flur in das Wohnzimmer und sinke aufs Sofa. Kurz darauf stellt Noah ein Glas Wasser vor mir auf den Couchtisch und tritt sofort wieder einen Meter zurück.

 

„Ich will dich nicht länger belästigen, aber ich möchte dich so auch nicht allein lassen. Soll ich jemanden für dich kontaktieren?“

 

Die Tränen brennen auf meinen Wangen, hinterlassen dunkle Flecken auf meiner Jacke. Ich schüttle den Kopf.

 

„Du solltest nicht allein sein“, widerspricht Noah, wobei es mehr nach einem Flehen klingt.

 

Wieder schüttle ich den Kopf, sammle die noch verbliebene Kraft und bringe endlich das Wort hervor, das ich schon die ganze Zeit sagen will.

 

„Bleib.“

 

Noah zuckt zusammen, sieht mich fragend an, als ob er sich nicht sicher wäre, ob er richtig gehört hat. Ich strecke meine Hand ein Stück nach ihm aus. Langsam macht Noah ein paar Schritte aufs Sofa zu und setzt sich neben mich, unternimmt aber keinen Versuch, mich zu berühren. Er sagt auch nichts. Er ist da und wartet.

 

Ich schließe die Augen, spüre den Stoff meines Hosenbeins, der rau an meinen Fingern reibt, höre das leise Ticken der Wanduhr, dazwischen Noahs Atem. Er atmet nicht regelmäßig, trotzdem versuche ich mich, ihm anzupassen. Es ist etwas, das ich nachahmen kann. Ein. Warten. Aus. Warten. Warten. Ein. Aus. Warten. Das Feuer tobt noch immer in mir, schmerzt bei jedem Luftholen, aber immerhin klappt das Atmen wieder.

 

Irgendwann habe ich mich wieder soweit im Griff, dass ich nach dem Wasserglas greife und ein paar Schlucke trinke. Als ich es wieder abstelle, fange ich Noahs Blick. Eine tiefe Falte hat sich zwischen seine Brauen gegraben und seine Augen glänzen dunkel.

 

„Es tut mir so leid“, flüstert er, streckt seine Hand nach mir aus, zieht sie aber gleich wieder zurück.

 

Ich schlucke, wobei es in der Kehle brennt, aber sie ist wieder frei. Lässt mir Raum zum Atmen. Und sprechen. „Schon okay.“ Er kann nichts für meinen Kampf gegen das Feuer.

 

„Nein, ist es nicht. Ich hätte Like a Mirror nicht einfach so auf den Markt werfen dürfen, mit deiner Musik, das …“

 

Sofort habe ich die Töne wieder im Ohr. Ich zucke zusammen, zwinge mich ruhig zu atmen, ehe mich die Panik erneut überfallen kann. „Das ist es nicht. Es ist ein wundervoller Song. – Danke.“ Ich sehe ihn an, versuche zu lächeln.

 

Damit hat Noah vermutlich nicht gerechnet. Wie auch, nach allem, was war? Oder besser nicht war. Seine Augenbrauen nähern sich seinem Haaransatz.

 

„Mir tut es leid.“ Ich bohre die Fingernägel in meine Handinnenflächen, fahre mit meinem Blick die Struktur des Hosenstoffs nach. „Ich konnte einfach nicht.“

 

Noah seufzt. „Ich weiß. Du hast Angst, den Schmerz loszulassen.“

 

Jetzt bin ich es, die ihn überrascht ansieht. Aber er lächelt nur sanft.

 

„Die Lyrics waren so eindeutig. Ich habe keine Sekunde geglaubt, dass der Song von Freddy ist. Ich weiß nicht, welche Erinnerung ich mit meinem Song in dir aufgewühlt habe, aber es macht mich fertig. Ich wünschte, ich könnte dir diesen Schmerz nehmen.“

 

Ich ziehe die Beine an und umschlinge sie mit meinen Armen. „Glaub mir, das willst du nicht“, sage ich.

 

„Vielleicht war ich vorschnell“, lenkt Noah ein. „Magst du … Magst du mir erzählen, welche Erinnerung dir so wehtut, dass du sie nicht behalten magst?“

 

Das Feuer überrollt mich erneut, brennt die Bilder tiefer in meine Netzhaut. Das Zimmer. Die Tür. So plastisch und real, als müsste ich nur die Hand ausstrecken, um das kalte Metall der Klinke wieder unter den Fingern zu spüren. Doch selbst, wenn ich sie drücke, ich weiß, dass die Tür sich nicht öffnen wird. Erst, wenn …

 

„Ich habe es so oft versucht“, sage ich leise.

 

„Zu vergessen.“ Ich kauere mich noch enger zusammen. „Es bleibt in meinem Kopf. Seit zehn Jahren.“

 

Ich bette die Stirn auf meine Knie, suche zwischen den Flammen nach einem Weg. Einem Anfang. Ich presse die Lippen aufeinander, um dem Schmerz entgegenzusteuern. Etwas Warmes und Weiches legt sich um meinen Körper, das Sofapolster unter meinem Po spannt sich. Als ich blinzele, erkenne ich die Wolldecke, die eben noch über der Sofalehne hing. Noah hat sie mir über die Schultern gelegt. Ich lächle ohne aufzusehen und ziehe die Zipfel der Decke noch etwas näher zueinander.

 

„Das Lied, das du in Like a Mirror mit aufgenommen hast, ist ein altes litauisches Volkslied. Meine Oma und meine Mutter haben es mir seit ich klein bin vorgesungen.“

 

Die melancholische Melodie schleicht sich in mein Ohr, mal verbunden mit Omas warmer Altstimme, dann mit dem Sopran meiner Mutter. Das Klavier mischt sich darunter und unwillkürlich umklammere ich die Decke fester.

 

„Ich mochte das Lied, und als ich anfing, Klavier zu spielen, hat meine Mutter die Variationen darüber geschrieben. Sie hat mir die Noten zum vierten Geburtstag geschenkt.“

 

Sie hatte es nicht eingepackt, nur eine Schleife darum gebunden und auf den Notenständer des Flügels gestellt. Natürlich konnte ich damals noch nicht lesen, aber als ich den See, den Wald und das Feuer sah, das Mama auf den Umschlag gemalt hatte, wusste ich, was da vor mir stand.

 

„Ich war so stolz, dass ich fast ohne Pause geübt habe. Sogar in der Carnegie Hall.“

 

Noah schnappt hörbar nach Luft, sagt aber nichts.

 

„Meine Mutter war eine international gefragte Pianistin. Sie hat überall gespielt, New York, Los Angeles, Amsterdam, Wien, Moskau, Sydney … Als ich noch nicht zur Schule ging, habe ich sie oft auf ihren Konzertreisen begleitet.“

 

Die Bilder der vielen Konzertsäle wechseln sich vor meinem inneren Auge ab. Die endlosen Sitzreihen, die edlen Kronleuchter, die holzverkleideten Ränge und hellen Böden. Sie haben sich mir eingeprägt, obwohl mich das damals nur wenig beeindruckt hat. Mein Interesse galt nur dem jeweiligen Konzertflügel, der auf der Bühne stand. Manchmal ließ sie mich ein bisschen spielen, wenn sie ihre Probe beendet hatte. Entschieden wische ich das Bild weg, als neue Tränen hinter meinen Lidern brennen.

 

Ich wünschte, das wäre alles, was es zu erzählen gibt. Vielleicht muss ich nicht weiterreden. Vielleicht ist Noah längst klar, in welche Richtung diese Geschichte geht. Ich wage es nicht, ihn anzusehen, in seinem Blick zu lesen. Mitleid , Verzweiflung, Ohnmacht – all das habe ich damals zu oft gesehen. Es hat mich verstummen lassen. Weil niemand wusste, wie er damit umgehen sollte. Wie man mit mir umgehen sollte.

 

Ich schlucke die Tränen runter und atme tief durch, dann setze ich meine Geschichte fort.

 

„Als ich zur Schule kam, hat Mama sich bemüht, nicht mehr so viel oder weit zu reisen. Sie hat viele Aufnahmen gemacht, allein, mit großen Orchestern. Die großen Auftritte machte sie in den Ferien, wenn ich sie begleiten konnte, manchmal sogar zusammen mit meinem Vater.“

 

Trotz des stechenden Schmerzes in meiner Brust schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen.

 

Papa hatte immer großen Respekt vor den Konzertsälen und war meist nervöser als Mama selbst, obwohl er nur neben mir irgendwo im Parkett oder auf einem der Ränge sitzen musste. Manchmal hat er vor lauter Aufregung das Programmheft zerknittert, bis ich es ihm weggenommen und seine Hand gehalten habe.

 

„Mama schafft das. Sie ist die Beste, weißt du?“, habe ich dann immer gesagt und Papa lächelte und antwortete: „Ich weiß, mein Schatz.“

 

Nur dass sie es nicht schaffen würde, hätte ich damals nie für möglich gehalten.

 

„Als ich acht war, hat sie sich verändert. Wenn sie nach der Arbeit im Studio oder nach einer Konzertreise nach Hause kam, blieb sie manchmal mehrere Tage im Bett liegen, und wenn sie Klavier spielte, klang das anders als früher. Wie Moll, selbst wenn das Stück in Dur gesetzt war.“

 

Der Löwenzahn. Ich sehe den Text in meinem Lesebuch von damals noch genau vor mir. Während der Hausaufgaben hörte ich zum ersten Mal, dass Mama anders spielte als sonst. Zuerst dachte ich, sie würde an einer Variation zu der Mozart-Sonate arbeiten. Aber als ich genauer zuhörte, erkannte ich, dass sich nicht die Tonart geändert hatte, sondern Mamas Anschlag. Er war kraftloser, als wollte sie die Tasten gar nicht richtig runterdrücken.

 

„Ich habe gemerkt, dass sie wegen irgendetwas traurig war, und ich habe mir noch mehr Mühe gegeben beim Üben, habe selbst kleine Stücke komponiert, um sie aufzuheitern. Aber es hat nicht viel geholfen.“

 

„Das hast du schön komponiert, mein Schatz.“ Ihre Stimme war so dünn und leise, als hätte sie wochenlang nicht geschlafen. Vielleicht hatte sie das auch tatsächlich nicht, obwohl sie so viel Zeit im Bett verbrachte.

 

„Irgendwann mit zehn oder so, hörte ich, wie meine Eltern darüber sprachen. Es ging um Depression und Therapie. Mama bekam Medikamente, und es ging ihr tatsächlich etwas besser.“

 

Und dann wurde sie gesund und sie lebten zusammen glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Ich knülle die Zipfel der Wolldecke in meinen Fäusten zusammen. Wie oft habe ich mir diesen Ausgang der Geschichte vorgestellt. So kannte ich es aus Büchern und aus eigenen Erfahrungen. Ich war krank, bekam Medizin und nach einer Weile war ich wieder gesund. Warum sollte es für meine Mutter nicht genauso funktionieren?

 

Heute weiß ich auf Vernunftebene längst, dass Depressionen nicht mit einer Erkältung zu vergleichen sind. Auf Gefühlsebene kapiere ich es trotzdem noch nicht, und wahrhaben will ich es schon gar nicht, selbst wenn mir die Realität seit zehn Jahren entgegenbrüllt, wie es ist.

 

„In den Ferien, bevor ich in die sechste Klasse kam, habe ich meine Mutter auf eine Konzertreise ins Baltikum begleitet. Es ging ihr nicht gut. Die letzte CD, die sie aufgenommen hatte, verkaufte sich nicht gut, im Frühjahr hatte sie ein Konzert in Bayreuth absagen müssen. Ihre Karriere stand auf der Kippe.“

 

Außen hui, innen pfui. Irgendwie passt dieser Spruch auch auf die Welt der Musik.

 

Wie hart der Kampf um die vordersten Plätze war, hatte ich bei den diversen Wettbewerben selbst schon erlebt. Selbst wenn es vermeintlich um nichts ging, versuchten doch alle virtuoser, schneller, komplexer zu spielen als der Rest. Sechs Stunden üben pro Tag, Workshops, Probenwochenenden und Akademien in den Ferien, um nicht nur Stadtsieger, sondern Landes- oder sogar Bundessieger bei Jugend musiziert zu werden, um ein Stipendium oder einen Platz in der Meisterklasse irgendeiner Koryphäe zu bekommen. Nichts davon vermisse ich, obwohl ich mich selbst freiwillig in dieses System begeben habe. Weil ich meiner Mutter nacheifern wollte. Vielleicht hätte ich es tatsächlich so weit gebracht, wenn es in Estland anders gekommen wäre.

 

„Mamas Manager hat ihr deutlich gemacht, wie wichtig die Baltikumtournee für sie ist. Also hat sie in Riga gespielt. Zwei Abende vor ausverkauftem Haus. In Vilnius war es genauso. Meine Großeltern sind extra für das Konzert aus Jurbarkas angereist. Es war so ein schönes Wiedersehen …“

 

Als wäre es gestern gewesen, sehe ich Oma in ihrem langen dunkelblauen Samtkleid und dem weißen Seidentuch vor mir. Sie sah aus wie eine Kaiserin, fand ich. Auch Opa trug seinen schönsten Anzug. Im Vergleich zu ihnen, kam ich mir in meinem Sommerkleid fast schäbig vor, aber meine Großeltern störten sich nicht daran. Sie waren einfach froh, uns wiederzusehen.

 

„Wenn du das Konzert in Tallin gespielt hast, dann kommt ihr noch für ein, zwei Wochen zu uns“, sagte Oma zum Abschied und sah meine Mutter besorgt an. „Du bist so blass, mein Kind. Es wird Zeit, dass du dich im Garten auf die Liege legst und ich dich ein bisschen verwöhnen darf.“

 

Ich freute mich auf die Ferien bei meinen Großeltern und hoffte, dass es meiner Mutter auch guttun würde, zu entspannen. Aber es sollte nie so weit kommen.

 

„Meiner Mutter fiel der Abschied schwer und als wir in Tallin waren, bat sie ihren Manager, das Konzert abzusagen“, murmle ich, den Blick starr auf meine Hände in der Decke gerichtet.

 

„Bitte, Hans, ich kann nicht mehr. Ich schaff das nicht.“ Mamas Stimme, dünn, kraftlos, verzweifelt, aber laut genug hinter dem Bühnenaufgang des Konzerthauses. Ich hatte sie proben gehört. Es war furchtbar gewesen. Mama war aus dem Takt gekommen, hatte sich öfter vergriffen, als ob sie zum ersten Mal Liszt gespielt hätte.

 

„Ich bitte dich, Ieva. Nur noch dieses eine Konzert. Lass dir nichts anmerken und zieh durch. Dann sind alle zufrieden und du hast deine Ruhe.“ Hans war unerbittlich. Vielleicht weil das sein Job war und er aus seiner Rolle nicht herauskonnte. Aber er hätte es besser wissen müssen …

 

„Sie hat irgendwie das Konzert hinter sich gebracht, und anschließend sind wir direkt ins Hotel gefahren und ins Bett gegangen.“

 

Kalte Wut steigt in mir auf.

 

Hans hätte sie nicht zwingen dürfen zu spielen, er hätte Mama unterstützen müssen. Alles Ausflüchte. Abwehr, die von der Wahrheit ablenkt. Dass ich nicht aufgepasst habe. Wenn ich doch nur …

 

Ich erzittere unter der Last des Gedankenkarussells, das sich seit zehn Jahren unablässig dreht. Immer schneller drehen sich die Bilder von damals, wiederholen sich in aberwitziger Geschwindigkeit, blitzen auf, lösen sich ab, kehren zurück. Ich will hier raus.

 

„Irgendwann ist Mama nochmal aufgestanden und ins Bad gegangen. Ich bin nur so halb wach geworden, aber ich habe mich gewundert, dass sie die Tür abschloss.“

 

Klick. Ein kleiner, unscheinbarer Ton. Seit jener Nacht das Geräusch, das ich am meisten verabscheue.

 

Ein Keuchen lässt mich aufschauen. Noah sitzt mit starrer, entsetzter Miene neben mir. Ich habe komplett vergessen, dass er hier ist. Für einem Moment bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich all das eben erzählt habe, oder ob es mir nur wieder einmal filmisch durch den Kopf gegangen ist. Aber sein Blick spricht Bände. Vorsichtig streckt er seine Hand aus und legt sie über der Wolldecke auf meinen Fuß.

 

„Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, war das Bett neben mir leer. Ich habe gedacht, Mama wäre schon duschen und ich habe gewartet, bis mir auffiel, dass gar kein Wasser lief. Ich bin aufgestanden, habe geklopft. Mama hat nicht geantwortet. Ich wollte die Tür aufmachen, aber sie war zu. Ich habe wieder gerufen, geklopft, immer wieder … Dann bin ich zu Hans und er hat das Personal geholt. Sie haben die Tür aufgebrochen. Mama lag neben der Dusche, sie …“

 

Meine Stimme bricht weg und ich zittere so stark, dass mir die Decke von den Schultern rutscht. Noah zieht mich in seine Arme und hält mich fest. Ganz fest. Als ob es das Feuer nicht geben würde. Als ob ich nichts getan hätte. Als ob er mein Geständnis nicht gehört hätte. Es fühlt sich so gut an, von ihm gehalten zu werden. Zu hoffen, dass alles gut werden könnte.    

 

Ruckartig löse ich mich aus seiner Umarmung. Ich verdiene das nicht. Es kann nicht wieder gut werden.

Noah sieht mich irritiert an.

 

„Ich verdiene das nicht.“

 

„Was?“

 

„Das alles. Diesen Preis heute Abend, dich, die Anteilnahme … Ich habe versagt.“

 

Noahs Augen weiten sich. „Du gibst dir die Schuld an dem, was passiert ist?“

 

Was ist daran so seltsam? Ist das nicht natürlich? Wie könnte ich nicht schuld sein? „Natürlich bin ich schuld. Ich hätte besser aufpassen müssen. Wenn ich aufgestanden wäre und sofort geklopft hätte, als Mama die Badezimmertür abgeschlossen hat, hätte sie nie all die Tabletten geschluckt.“

 

„Kristina, du warst elf, und du hast halb geschlafen.“

 

„Aber ich wusste, dass sie krank war. Ich hätte besser aufpassen müssen.“

 

Noah seufzt. „Ich kann verstehen, dass du so denkst. Aber es ist nicht deine Schuld. Hörst du, es ist nicht deine Schuld.“

 

Er zieht mich wieder in seine Arme, und diesmal lasse ich es zu. Ich schluchze, zittere, lasse das Feuer in mir lodern, zum ersten Mal, ohne dagegen anzukämpfen. Noah hält mich fest, bis mir vor Erschöpfung die Augen zufallen. 

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Kapitel 48 - Auf Abstand gehalten

Noah

Das Kamerabild zeigt den gesamten Proberaum, sodass ich Kristina auf meinem Handydisplay nicht genauer erkennen kann. Ich kneife die Augen zusammen und halte mir das Handy noch näher vors Gesicht, in der Hoffnung, doch mehr zu sehen. Aber entweder schaut Kristina auf ihr Keyboard oder zur Seite. So ein Mist. Wieso tu ich mir das überhaupt an? Als ob ich durch Videos herausfinden könnte, was mich glücklich macht. Aber für den Moment hält mich die Aufzeichnung des Livestreams von Escape wenigstens beschäftigt. Ich kann sowieso nicht schlafen. 

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Kapitel 47 - Maskerade

Kristina

Ich schließe die Augen, lasse die Hände auf den Tasten liegen und atme langsam aus. Angenehme Ruhe umfängt mich und Zufriedenheit macht sich in mir breit. Dreimal habe ich meinen Song jetzt schon gespielt und noch keine Träne vergossen. Sehr gut. So soll es bleiben, denn bei unserem Livestream in ein paar Stunden, kann ich mich nicht hinter Regen verstecken. 

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Kapitel 46 - Falsch und Richtig

Noah

Etwas stößt gegen meine Fingerspitze, als ich die Hand in die Hosentasche stecke. Leider ist es nicht das Taschentuch, nach dem ich gesucht habe, sondern etwas Hartes. Ich ziehe ein längliches viereckiges Stück Metall hervor, in das Sonne, Mond und Sterne eingraviert sind.

Unwillkürlich schießt Hitze in jeden Winkel meines Körpers. Ich hätte diesen Anhänger wegwerfen sollen. Hätte gar nicht erst zulassen dürfen, dass ich ihn bei mir trage. Ganz zu schweigen davon, mich auf die Geberin des Anhängers einzulassen.

Brianna.

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Kapitel 45 - Vom Regen verschleiert

Kristina

Der Regen prasselt mit aller Kraft gegen den Bus. Durch diese Wand aus Wasser ist kaum etwas zu erkennen.

„Ist das dieses Sommerwetter, von dem alle gesprochen haben?“, fragt Joshie.

„Da hat wohl jemand Sommer und Sintflut verwechselt.“ Ich ziehe meine Pulloverärmel über die Hände. Irgendwie scheint es, als ob es durch den Regen im Bus gleich ein paar Grad kühler geworden wäre.

„Na ja, wir sind ja gerade mal aus Hamburg raus. Das Wetter wird schon noch besser.“ Joshie schaut hoffnungsvoll zum Fenster und versteckt ihre Daumen in ihren Fäusten. Vielleicht hilft das Daumendrücken tatsächlich, überlege ich und imitiere Joshies Geste in meinen Ärmeln.

In diesem Moment kommt Johnny vorbei. „Was macht ihr da?“

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Kapitel 44 - Mach's perfekt

Noah

„Noch ein Stück näher zusammen. Den Arm noch ein bisschen höher. Ja, so ist super.“

 

Ich lege meinen linken Arm lässig um Andys Schulter, den rechten hinter Liams Hüfte. Augenblicklich spannen sich seine Muskeln, aber nach vorn verzieht er keine Miene, sondern lächelt den Fotografen an, als gäbe es auf der Welt nichts anderes als Sonnenschein. Ich puste mir auf Geheiß des Fotografen eine Haarsträhne aus der Stirn und lächle verwegen.

 

„Nice. Jetzt noch mal in die andere Richtung gucken.“

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Kapitel 43 - Minus mal Minus gibt Plus?

Kristina

Die weißen und schwarzen Tasten lösen sich in Töne auf, tanzen vor meinen geschlossenen Augen. Die Musik lindert die Hitze, die in mir tobt, bis meine Seele sich aus meinem Körper löst und über mir zu schweben scheint.

 

Sometimes love feels like a memory

that hurts too much to keep

 

In diesem Moment schmerzt es jedoch nicht mehr. Das, was weh tat, ist weit weg. Ich bin frei. Meine Finger gleiten blind über die Klaviatur.

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Kapitel 42 - Hört mich jemand?

Noah

Der Juckreiz wird mit jeder Minute schlimmer, egal wie oft ich über den Verband kratze. Okay, vielleicht liegt’s genau daran. Aber verdammt, diese blöde Brandverletzung macht mich noch wahnsinnig. Nicht genug, dass Scott mir einen ordentlichen Anschiss verpasst hat, weil ich mich vor einem Fotoshooting an so prominenter Stelle verbrannt habe. Es reicht auch nicht, dass mein verbundenes Handgelenk in jedem Interview Thema wird. Nein – das Jucken raubt mir zusätzlich nachts den ohnehin viel zu kurzen Schlaf. 

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Kapitel 41 - Mit Musik kann ich fliegen

Kristina

Nie, nie wieder, nehme ich mir zum hundertsten Mal vor, während ich die Tablette mit einem großen Schluck Wasser runterspüle und anschließend meine Schläfen massiere. Leider verschwinden die Kopfschmerzen nicht innerhalb von Sekunden wie in der Werbung. Aber ob es normal ist, dass sie schon eine Woche anhalten? Mal mehr, mal weniger stark. Das ist bestimmt der Stress, versuche ich mir einzureden. Die letzte Woche war echt heftig. 

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Kapitel 40 - Nachtausflug

Noah

Der Eingangsbereich des Hotels erscheint mir wie das Tor zum Himmelreich. Sobald sich die automatische Tür hinter uns schließt und Security und Hotelpersonal sich darum kümmern, die lauernden Fans draußen zu halten, atme ich erleichtert aus.

Nur noch eine Aufzugfahrt, bis ich mich in die anonyme Stille meines Hotelzimmers zurückziehen kann. In nicht einmal einer Minute muss ich nicht mehr krampfhaft lächeln, locker drauf sein, oder Like a Mirror singen. 

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Kapitel 39 - Release-Party

Kristina

Zwischen einem senfgelben Cordsofa, drei passenden Sesseln und einer Theke, die über und über mit Stickern beklebt ist, tummeln sich gefühlt tausend Menschen. Tatsächlich sind es wohl nicht mehr als zwanzig, trotzdem ist es mir schon zu voll. Freddys Mutter sitzt neben Judith auf dem Sofa. Sie lächelt, aber nur mit dem Mund, ihre Pupillen wandern in den angestrengt zusammengekniffenen Augen hektisch hin und her. Ich schlucke, schwanke zwischen Bewunderung, dass sie sich für ihren Sohn aufrafft, hier zu sein, und dem Wunsch, sie hier wegzubringen. Oder interpretiere ich zu viel, nach dem, was Freddy neulich erzählt hat? Vielleicht sollte ich mich eher für ihn und seine Mutter freuen, dass sie gerade offenbar eine halbwegs gute Phase hat. Aber es kann auch eine trügerische Ruhe sein.

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Kapitel 38 - Achtung Abgrund

Noah

„Jawoll! Nice!“ Liam reckt die Faust zur Siegerpose in die Luft.

„Was ist los?“, fragt Andy und greift zum tausendsten Mal seit zehn Minuten in die Tüte mit Weingummi.

Liam reicht ihm das Tablet. Da Andy direkt neben mir sitzt, wäre es ein leichtes für mich, ebenfalls einen Blick auf das Display zu werfen. Stattdessen starre ich aus dem Busfenster, vor dem die Autobahn im Sommerregen verschwimmt.

„Ey, krass. Guck mal!“

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Kapitel 37 - Klarkommen

Kristina

Tag zwei ohne Noah. Tag zwei mit dem Schmerz. Die Watte um mich herum hat sich etwas gelichtet, dafür hat sich das brennende Stechen in mir festgesetzt. Es bleibt, egal, was ich tue. Es begleitet sogar die Musik.

„Wie hast du geschlafen?“, fragt Joshie leise, obwohl von den anderen niemand in der Nähe ist. Sie führt die Kaffeetasse zum Mund, trinkt aber nicht, sondern schaut mich über den Rand besorgt an.

„Geht so.“ 

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Kapitel 36 - Warten, hoffen, funktionieren

Noah

 Der Horrortrip hält mich noch immer gefangen. Anders ist das hier nicht zu erklären. Wieder und wieder lese ich die Nachricht auf dem Display, aber ich checke sie trotzdem nicht.

Ich kann das nicht. Was soll das heißen?

Die Kommentare in den Social Media überschlagen sich vor Begeisterung zu Like a Mirror. Auch mein Postfach auf Instagram quillt über von Nachrichten, in denen Fans mir schreiben, wie sehr sie den Song lieben. Doch ich kann mich nicht darüber freuen. Diese eine Nachricht von Kristina stellt alles andere in einen diffusen Schatten. 

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Kapitel 35 - Feuer und Scherben

Kristina

Im treibenden Viervierteltakt des Allegro non molto von Vivaldis Winter laufe ich durch den Englischen Garten. Es ist gerade einmal kurz nach sechs und die einzigen Lebewesen, denen ich bislang begegnet bin, sind ein paar Enten, Tauben und Eichhörnchen. Schon in ein oder zwei Stunden wird es hier ganz anders aussehen. Oder heute Nachmittag. Ich jogge den Weg zum Monopteros hinauf und wie früher laufe ich zwischen den Säulen im Slalom. Stufe runter, Stufe hoch.

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Kapitel 34 - Zwischen den Zeilen

Noah

Kristinas Stimme klingt dünn und zittert. Das passt nicht zu den bunten Festivalbildern, die nur so von Leben und guter Laune sprühen.

„Hey, was ist denn los?“

„Nichts, was soll sein?“ Wenn sie neben mir säße, würde sie sich jetzt wegdrehen und meinem Blick ausweichen. Aber wenn sie hofft, mich austricksen zu können, weil wir nur telefonieren, liegt sie falsch.

Ich kann mir ein Seufzen nicht verkneifen. „Kristina, ich kann über den Ärmelkanal hinweg hören, dass es dir nicht gutgeht. Was ist passiert?“

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Kapitel 33 - Festival, die Erste

Kristina

Im Bus herrscht mehr Gewusel als sonst. Dauernd läuft einer von uns von oben nach unten, von hinten nach vorn und wieder zurück. Ben checkt alle zwanzig Minuten den Wetterbericht und gibt ihn an uns weiter. Leicht bewölkt, 25 Grad. Freddy lehnt neben Judith, hat seine E-Gitarre auf dem Schoß und übt ein Gitarrensolo, wobei ich mir sicher bin, dass er schneller spielt als in den Proben. Aber ich sage nichts dazu. In meinen Ohren läuft Beethovens viertes Klavierkonzert. Mark und Tommy, die für unseren Merch-Verkauf zuständig sind, stellen sich immer absurdere Kopfrechenaufgaben.

„Dreißig mal neunundzwanzig fünfundneunzig“, ruft Tommy und übertönt damit das Crescendo des Orchesters in meinen Kopfhörern.

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Kapitel 32 - Lost in Promotion

Noah

Auf meiner Stirn kribbelt es, so sehr, dass ich nur mühsam dem Drang widerstehen kann, mich zu kratzen. Das Licht von unzähligen Scheinwerfern sticht mir in die Augen, während ihre Hitze mir den Schweiß aus sämtlichen Poren treibt.

Es ist 6:20 Uhr. Jeder normale Mensch sollte jetzt entweder noch im Bett liegen oder maximal im Bademantel am Frühstückstisch sitzen und Kaffee trinken. Aber richtig. Ich bin kein normaler Mensch. 

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Kapitel 31 - Erwischt

Kristina

Noah und ich fahren auseinander. Einen Moment lang starren Ben und wir uns an, bis Ben sich als erster wieder fängt.

„Hab mein Ladekabel vergessen“, sagt er und steuert auf seinen Platz zu, hinter dem tatsächlich ein Ladekabel aus der Steckdose hängt. Er zieht es heraus, wickelt es auf, steckt es in die Hosentasche. Noah und ich sehen ihm stumm zu. Mein Herz schlägt noch wie verrückt.

Ben dreht sich um, sieht mich entschuldigend an und will wohl wieder gehen, als sein Blick eine Sekunde länger an Noah hängenbleibt und er große Augen macht.

„Holy …“, entfährt es ihm.

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Kapitel 30 - Noah ohne Hammond

Noah

Es ist spät, als ich wieder nach Hause komme. Wir haben heute im Studio noch einmal alles gegeben, um die Chöre für weitere Songs einzusingen und noch das eine oder andere Solo aufzunehmen. Gut zwölf Stunden im Studio. Dass es draußen wohl ein schöner Tag war, lässt sich nur noch an der warmen Fassade unserer Villa erahnen. Wahrscheinlich wäre es auch im Garten noch ganz schön, aber als ich Dad auf der Terrasse telefonieren sehe, mache ich gleich wieder kehrt. 

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Kapitel 29 - Everything is fine (we think)

Kristina

„Lass mich auch endlich gucken.“ Johnny versucht, mir den Probedruck des Booklets aus der Hand zu ziehen, aber mein Griff ist zu fest.

Piet verdreht die Augen und gibt ein theatralisches Seufzen von sich. „Kinder, streitet euch nicht. Es ist genug für alle da.“

Er zieht einen Stapel Papier hervor und reicht je ein Exemplar an Johnny, Freddy und Joshie. Auch Ben, der mir bis eben über die Schulter gesehen hat, nimmt einen Probedruck von Piet entgegen.

„Du Schuft, das hättest du auch mal früher sagen können“, empört Ben sich.

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Kapitel 28 - Alles nicht wahr

Noah

Harry grinst von einem Ohr zum anderen, als ich an diesem Morgen das Studio betrete. Nach fast zweieinhalb Wochen Aufnahmen kommt mir das Studio hier schon vertrauter vor als das Wohnzimmer zu Hause, was allerdings auch kein Wunder ist. Nach wie vor bin ich mit Dad allein in der Villa, vom Dienstpersonal mal abgesehen, und auch wenn wir uns dank unserer jeweiligen Termine kaum sehen, stelle ich mit jeder Minute, die wir gemeinsam verbringen, fest, wie wenig wir uns zu sagen haben. 

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Kapitel 27 - Wer bin ich wirklich?

Kristina

 

Challenge für heute: Detailaufnahme, die schwer zu erraten ist. (Maximal drei Versuche)

Lächelnd lege ich das Handy zur Seite, sobald ich Noahs Nachricht gelesen habe, und widme mich wieder meinem Tee.

„Was ist los?“

 

„Nichts, was soll sein?“ Ich lasse das Lächeln fallen und schenke Joshie einen, so hoffe ich, neutralen kurzen Blick. Aber meine beste Freundin lässt sich nicht beirren.

 

„Tu nicht so. Seit Tagen grinst du immer, sobald du dein Handy in der Hand hast, und du singst in einer Tour vor dich hin.“

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Kapitel 26 - Endlich mein Song

Noah

Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es am nächsten Morgen ins Studio, nachdem ich Kristina verabschiedet habe. Wenn es nur nach uns gegangen wäre, hätte ich sie bis zum Gate gebracht, so blieb es bei einem langen Kuss auf der Rückbank des Taxis. Ich setze auf den Ehrencodex des Taxifahrers, dass davon nichts an die Öffentlichkeit dring. Okay, und ein bisschen auf das großzügige Trinkgeld, das ich von der Fahrt vom Flughafen bis hierher habe springen lassen.

Andy kommt mir aus der kleinen Küche mit zwei Kaffeebechern entgegen und drückt mir einen in die Hand.

„Danke, womit habe ich das denn verdient?“, frage ich überrascht. Normalerweise muss ich mir meinen Kaffee selbst holen.

„Ich dachte, du könntest den gebrauchen. Du hast doch bestimmt die halbe Nacht Klavier geübt.“ 

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Kapitel 25 - Tiefer als Wikipedia

Kristina

„Sind Sie sicher, dass ich nicht warten soll, Miss?“, fragt der Taxifahrer mit skeptischem Blick auf die graue Fassade und den noch graueren geteerten Vorplatz ohne jeden Baum oder Strauch. Ich weiß nicht, was er sonst in seinem Job erlebt, und vielleicht ist dieses Viertel nicht die Gegend, wo er üblicherweise hinfährt, aber seine wiederholte Frage beunruhigt mich nun doch ein wenig.

„Das hier ist doch 73 Penny Road, oder?“

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Kapitel 24 - Schlaflos in London

Noah

Die Doppelseite des Notizbuchs auf meinen Knien ist vollgekritzelt mit Vierzeilern, einzeln Sätzen, unterstrichen, durchgestrichen. Ein knapper Zentimeter am unteren Rand des Papiers ist noch frei und mit fliegender Hand schreibe ich noch ein paar Worte dazu.

You are like a mirror to my soul.

Ich starre auf die Zeile, deren Buchstaben sich stark krümmen, um überhaupt noch auf die Seite zu passen. Das Chaos im Notizbuch spiegelt so ziemlich wider, wie es in meinem Innern aussieht. Ein Spiegel meiner Seele. 

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Kapitel 23 - Sonne und Schatten

Kristina

Noah. Ein Wort, ein Name, ist alles, was ich denken kann. Immer wieder formen meine Zunge und meine Lippen diesen Namen, ohne ihn laut auszusprechen. Noah, Noah, Noah. Ich liege neben ihm, die Augen geschlossen, in enger Umarmung, seine warme Haut an meiner. Seine kurzen Barthaare reiben rau gegen meine Hand, während mein Kopf durch das Auf und Ab seines Brustkorbs sanft angehoben und wieder gesenkt wird. Noah. 

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Kapitel 22 - Was dein Herz sagt

Noah

Wie ein Tiger im Käfig laufe ich in der Hotelsuite auf und ab. Jayden ist vor einer Minute runter gegangen, um Kristina abzuholen. Ist er schon unten in der Tiefgarage? Sind sie womöglich bereits auf dem Weg nach oben?

Okay, ganz ruhig. Ich bleibe stehen, zwinge mich, tief durchzuatmen, und strecke die Arme durch, wobei ich die Hände gen Boden drücke. Meine Zeigefinger zittern. Verdammt, wie soll ich so gleich Klavier spielen? 

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Kapitel 21 - Gerüchteküche

Kristina

Meine Frisur ist locker, sobald ich mich auch nur leicht bewege, habe ich das Gefühl, als würde mir der aufgedrehte Haarknoten vom Kopf fallen. Habe ich eben die Haarnadeln nicht richtig festgesteckt? Zum fünften Mal taste ich nach den schmalen Spangen unter meinem Haar und versuche gleichzeitig, den Fragen der Journalistin zu folgen. Ich vermute, dass sie normalerweise mit Künstlern anderer Musikrichtungen spricht, da sie immer wieder auf ihre Notizen schaut und ihre Fragen klingen, als hätte sie auf die Schnelle gegoogelt, was Indie-Rock ist.

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Kapitel 20 - Mittsommernachtsalptraum

Noah

Kaum hat Dads Fahrer Vincent das Auto vor unserer Villa geparkt, fliegt die Haustür auf und Marble stürmt heraus. Sie fällt mir um den Hals, drückt mich lang und fest und presst dabei ihren Kopf gegen meine Brust.

„Enlich bis du da.“

Ja, endlich bin ich da. Zumindest für diesen Moment kann ich meiner Zwillingsschwester nur zustimmen. Was sie angeht, unterschreibe ich das endlich zu hundert Prozent, auch wenn mit jeder Flugmeile der Unwillen gegen mein Ziel gewachsen ist. Ich habe nicht die geringste Lust auf die Dreharbeiten von Dads bescheuerter Reality-Soap.

Aber Marbles innige Begrüßung versöhnt mich mit meinem Schicksal. Bei ihr bin ich zu Hause. 

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Kapitel 19 - Hinter den Kulissen

Kristina

„Run, run, run. Run until you fly.”

Meine Wangenmuskulatur spannt sich, während ich den Refrain immer wieder in das Mikro vor mir singe. Durch die Studioarbeit in den letzten Wochen haben wir Freddys Song gefühlt ewig nicht mehr gespielt und ich habe fast vergessen, wie viel Spaß es macht, auch wenn gerade kein Publikum hier ist, das mitfeiert. 

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Kapitel 18 - Versöhnungsporridge

Noah

Ein salzig-herber Geruch kriecht mir in die Nase, noch bevor ich den Vorhang vor meiner Schlafkoje zur Seite schiebe. Ich drücke mein Gesicht ins Kissen, um dem Geruch zu entfliehen. Wovon habe ich gerade geträumt? Gab es da nicht irgendetwas Schönes, an das ich mich erinnern kann?

Jemand kommt den Gang zwischen den Betten entlang und schafft es, trotz Teppichboden, laut zu trampeln.

„Guten Morgen, aufwachen, es gibt Porridge!“

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Kapitel 17 - Ich muss noch ...

Kristina

Das Whiteboard in Piets Büro erleuchtet den Raum und offenbart eine Deutschlandkarte, auf der überall rote Pins stecken, die die Standorte unserer anstehenden Clubtour markieren.

„Krass, doch so viele Gigs“, entfährt es mir.

„Zwölf Konzerte. Dazu kommen dann im Sommer die Festivals.“ Piet tippt auf sein Tablet und auf der Landkarte tauchen fünf weitere Pins auf, diesmal in blau.

Ich schließe die Hände um meine Tasse, aus der mir der Dampf von grünem Tee heiß in die Nase steigt. Das beruhigt. Denn obwohl Konzerte inzwischen zu unserem Leben dazugehören und ich es liebe, vor Publikum zu spielen, flattern bei der Ankündigung der neuen Tour nervöse Schmetterlinge in mir auf. Dabei weiß ich seit Monaten, dass vor der eigentlichen Tour im Herbst, die Clubkonzerte anstehen. Zumindest theoretisch. 

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Kapitel 16 - Positiv denken

Noah

Im Hotelzimmer ist es still. Kein Kühlschrank brummt, der Fernseher summt nicht und weder von der Straße noch vom Gang vor der Tür dringt irgendein Laut herein. Dafür ist es in meinem Kopf umso lauter, und egal, was ich versuche, der Lärm verschwindet nicht. Tief atmen, Luft anhalten, langsam ausatmen, mich nur auf meinen Körper konzentrieren, es klappt nicht. Ich bin hundemüde, muss in fünf Stunden wieder aufstehen und kann nicht einschlafen. 

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Kapitel 15 - Alles okay

Kristina

„Nein, nein, nein!“ Stöhnend stütze ich die Ellbogen aufs Mischpult und vergrabe den Kopf in den Händen, sehe aber sofort wieder auf und gebe Ben durch die Scheibe ein Zeichen, dass er aufhören soll zu spielen. Nicht nur er zieht die Stirn in Falten, auch Martin sieht mich irritiert an.

„Was ist denn los? Das war doch gut.“

Ich schüttle den Kopf und ziehe mir die Kopfhörer von den Ohren. „Das klang schief.“

„Was? Ich habe extra noch einmal nachgestimmt“, ruft Ben empört und kommt zu uns in den Regieraum. 

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Kapitel 14 - Nicht mein Plan

Noah

„Follow me to a new tomorrow! Uuhhh.”

Wir verharren mit den Mikros vor unseren Mündern, während das Licht ausgeht und die Menge in der Halle ausrastet. Vereinzelt kann ich unsere Namen aus dem Rauschen des Applaus und dem hysterischen Jubel heraushören, orten kann ich sie jedoch nicht. Ich spüre, wie Suma neben mir sich bückt, und ich tu es ihm gleich, um mein Mikro auf den Bühnenboden zu legen. Schon im nächsten Augenblick geht das Licht in der Halle wieder an, aus den Boxen dringt die Studioversion von Heartbroken, und die Rufe der Fans werden noch um einige Dezibel lauter, als wir von der Bühne kommen und uns an der ersten Absperrung entlang auf den Backstage zu bewegen.

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Kapitel 13 - Panik

Kristina

Meine Lider sind schwer wie Blei, drücken unbarmherzig nach unten, sodass ich alle Kraft aufwenden muss, um die Augen offen zu halten. Nach vier intensiven Studio- und Probetagen habe ich selbst für meine Verhältnisse ein ansehnliches Schlafdefizit aufgebaut. Erst vor sechs Stunden bin ich aus dem Studio zurückgekommen und musste noch meine Tasche für heute packen. Jetzt sitzen wir schon seit einer dreiviertel Stunde im Bus, der uns zu unserem Konzert nach Düsseldorf fährt, und ich höre zum fünften Mal unseren neuen Song, den ich heute Nacht noch mit Martin abgemischt habe. Ich könnte die Augen schließen, immerhin muss ich nur hören. Aber ich fürchte, wenn ich sie einmal geschlossen habe, schlafe ich ein. Erneut lasse ich den Song laufen, will alle Details heraushören. Die ersten Takte klingen super, der Bass ist nicht zu dominant, die Snare scheppert nicht.

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Kapitel 12 - Üben und folgen

NOah

Fuck. Fuck. Fuck. Kaum, dass ich hinter Jayden im Auto sitze und wieder auf dem Weg zum Flughafen bin, vergrabe ich mein Gesicht in den Händen und presse die Lippen aufeinander. Das war ja mal eine einzige Katastrophe.

Neben mir auf der Rückbank liegen die Noten, die Kristina mir mitgegeben hat, und die mich daran erinnern, was der eigentliche Sinn unseres Treffens war. Aber sonderlich erfolgreich war zumindest ich nicht. Kristina hat sich alle Mühe gegeben, glaube ich, nur vermutlich nicht mit meiner Unfähigkeit gerechnet. 

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Kapitel 11 - Was du fühlst

Kristina

In meiner Seite sticht es und mein Hals brennt wie Hölle. Trotzdem ziehe ich das Tempo auf den letzten Metern noch einmal an. Vorbei an der Bushaltestelle, links um die Ecke und schon kommt unser Haus in Sicht. Das Blut rauscht in meinen Ohren, mir ist schlecht und die Hände auf die Knie stützend beuge ich mich vor und ringe nach Luft. Das war neuer Rekord. Genau messen kann ich es nicht, weil ich meine Laufuhr im Bad habe liegen lassen, aber ein kurzer Blick auf mein Handy verrät mir, dass erst knappe vierzig Minuten vergangen sind, seit ich zu meiner 10-Kilometer-Runde aufgebrochen bin. Also bleiben immer noch drei Stunden bis zu meiner Verabredung mit Noah. Großartig!

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Kapitel 10 - Eine simple Frage

Noah

„Yes!“ Ich balle die Hand zur Faust und ziehe sie in triumphierender Geste ruckartig nach unten, während meine Mundwinkel gen Ohren wandern und ich den Blick nicht vom Display meines Smartphones abwenden kann.

In der Halle ist es halbdunkel, noch drei Minuten bis zum Konzert. Unsere Crew checkt ein letztes Mal, ob wir richtig verkabelt sind, doch ich blende die Geräusche und das Gewusel um mich herum aus. 

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Kapitel 9 - Regengedanken

Kristina

„Cut!“ Die Stimme des Regisseurs hallt von der nassen Backsteinmauer wider.

Ich schüttle mich. Seit dem frühen Morgen sind wir hier an der alten Lagerhalle am Hafen und drehen unser nächstes Musikvideo, und mittlerweile kann ich mir nicht mehr erklären, wieso ich mich jemals für das Drehbuch habe begeistern können. Ein Dreh im Regen. Wer ist auf diese bescheuerte Idee gekommen?

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Kapitel 8 - Du kannst mehr

Noah

Regentropfen fließen in bizarren Mustern an der Fensterscheibe des Taxis hinunter, das mich zum Flughafen bringt. Typisches Londoner Wetter, ich werde es in den nächsten Tagen kaum vermissen. Genauso wenig wie alles andere, das ich hier zurücklasse. Okay, Marble ist die goldene Ausnahme. Mit ihr hätte ich gern noch mehr Zeit gehabt. Ich habe meine Zwillingsschwester das letzte Jahr über viel zu wenig gesehen.

Auf den Rest meiner Familie hätte ich allerdings spätestens seit gestern Abend schon wieder verzichten können. Aber wie üblich hatte Dad das Osterfest professionell durchgeplant und ein Skript für seine Social Media Aktivitäten, die beinahe sämtliche Familienmitglieder mit einschließen, geschrieben. 

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Kapitel 7 - Charity mit Stich

Kristina

Eine Bucht mit tiefblauem Wasser, Felsen, die mystisch aus dem Wasser ragen und eine Burg, die auf einer Felseninsel thront. Ich muss Noahs Kommentar in seiner Instagram-Story recht geben – es gibt schlechtere Orte zum Arbeiten. Die kurzen Einblicke, die er vom Videodreh auf Sizilien geteilt hat, sind zwar alle vom offiziellen Five2Seven-Account, aber er hat sie mit seinen jeweils eigenen Sprüchen versehen. Ich lasse die Stories durchlaufen und schnipple gleichzeitig einen Apfel in meine Portion Haferflocken. 

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Kapitel 6 - Bella Italia

Noah

Vor dem Privatjet steht ein Kleinbus für uns bereit. Wir können praktisch aus dem Flugzeug direkt ins Auto fallen. Andy bleibt trotzdem kurz auf der obersten Treppenstufe stehen, breitet die Arme aus und ruft: „Bella Italia!“

Ich sehe über seine Schulter das Rollfeld entlang. Lange graue Gebäude, ein Tower, Asphalt und grüngelbe Grasstreifen dazwischen. Flughafen halt, auch die sehen irgendwie alle gleich aus. Aber vermutlich hat Andy recht, er freut sich schon seit zwei Wochen auf Italien. 

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Kapitel 5 - So wie früher, so wie du

Kristina

Ben schlägt rhythmisch Akkorde, während Freddys Finger in atemberaubenden Tempo über den Hals seiner E-Gitarre fliegen. Ich werfe Martin neben mir einen raschen Blick zu. Unser Produzent zieht imponiert die Augenbrauen nach oben und die Mundwinkel nach unten und nickt.

„Ziemlich geil“, sagt er, als die beiden schließlich enden.

Ben und Freddy grinsen sich an und machen ein High-Five, Freddy deutet eine kleine Verbeugung an.

„Für das Album würde ich das Solo allerdings kürzen“, sage ich. 

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Kapitel 4 - Business as usual

Noah

Es klopft von links. Falsche Richtung. Irritiert öffne ich die Augen und sehe mich um. Sitzecke, Fernseher, Schreibtisch, halboffene Tür zu einem Bad. Irgendein Hotelzimmer, kennt man eins, kennt man alle. Aber in welcher Stadt befinde ich mich?

Es klopft erneut.

„Ja?“, rufe ich, rapple mich auf und sehe mich nach meinem Handy um, in der naiven Hoffnung, dass das mir einen heißen Tipp geben kann, wo ich gerade bin. Leider kann ich das Gerät nicht finden. Verdammt.

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Kapitel 3 - Zwischen Traum und Fernsehstudio

Kristina

Mit geschlossenen Augen lege ich den Kopf in den Nacken und atme tief durch, ehe ich den Schlüssel aus der Tasche hole und die Tür zu meinem Airbnb aufschließe. Es ist noch dämmrig, aber schon heller als vor einer halben Stunde, als ich losgelaufen bin. Dank der kühlen Luft bin ich jetzt auch wach.

Die anderen halten mich für bescheuert, dass ich mir diese frühmorgendlichen Laufrunden immer noch antue, und mein innerer Schweinehund hätte ihnen heute sogar recht gegeben. 

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Kapitel 2 - Völlig verzaubert

Noah

„Hiergeblieben!“

Scott packt mich an der Schulter und zieht mich zurück in den Saal, wo sich die Leute beinahe stapeln. Gerade so einen Seufzer unterdrückend, werfe ich einen letzten sehnsüchtigen Blick Richtung Bar.

„Mann, ich hab‘ Durst.“

Grinsend drückt Scott mir eine kalte Halbliterflasche Wasser in die Hand. Wenn ich nicht zu genervt wäre, müsste ich ihm dafür eigentlich Respekt zollen. Woher hat er so plötzlich das Wasser? Und wie zur Hölle hat er es kalt gehalten? 

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Kapitel 1 - Live für mich

Kristina

„Hier sind für euch Escape mit Trust!“

Die letzten beiden Worte der Moderatorin gehen im Jubel der Menge unter und ich wünschte, ich hätte meine Noisecancelling-Kopfhörer, oder wenigstens die Inears. Aber wie die anderen Bands auch, spielen wir heute mal wieder Playback. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, aber Spaß macht es mir immer noch nicht. 

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